Nachtleben, Frankfurt, 21.08.2013
Bei all den nach wie vor aus dem Boden schießenden Bands, denen in mehr oder weniger ausgeprägter Art und Weise der „Retro-Rock“-Stempel aufgedrückt wird, ist es erstaunlich, wie auch in diesem (noch) boomenden Segment eine Underground-Szene entsteht; bzw. Bands, die sich lange vor dem Hype auf der Retro-Schiene bewegten und deswegen jetzt eigentlich die Sahne abschöpfen müssten, immer noch im Underground stagnieren. Da gibt es beispielsweise auf der einen Seite die – auch von mir – sehr geschätzten GRAVEYARD (S) oder KADAVAR (D), die von Anfang an, aus was für Gründen auch immer, einen Nerv trafen und sich wund touren, bis sie jeder Interessierte mehrmals live gesehen hat und immer mehr Aufmerksamkeit bekommen – und auf der anderen Seite Bands wie die Schweden von SIENA ROOT, die seit Ende der Neunziger Jahre existieren, auch ständig unterwegs sind, hervorragende Tonträger veröffentlichen und trotzdem immer vor den selben Nasen spielen müssen, Hype hin oder her.
Mir sind zwei SIENA ROOT-Konzerte in Frankfurt vor dem gestrigen bis dato bekannt, seitdem ich sie das erste Mal im Nachtleben 2011 erleben durfte; Deutschlandkonzerte (darunter zweimal das Burg Herzberg-Festival) geben sie jedoch seit 2004, oft zusammen mit anderen Vertretern der sogenannten Psych-Rock oder Heavy-Psych-Szene (mit Bands wie VIBRAVOID, COLOUR HAZE, BABY WOODROSE, u. a.). Retrorock nannte man das damals nicht und wahrscheinlich wird das auch nicht gerne gehört (von wem denn noch?), aber treffend wäre es, schimmern aus dem Klangbild SIENA ROOT’s doch eindeutig orgellastige Hard Rock-Hippies wie die frühen URIAH HEEP durch, mit häufigen Ausflügen in indisch oder persisch gefärbte Bewusstseinserweiterung. Far Out, Baby. Ich stehe da total drauf.
Da es bei SIENA ROOT wenige Konstanten in der Besetzung gibt (Mitglieder kommen, gehen und kommen manchmal auch wieder) und ständig alle möglichen Gäste mitspielen, kann man wohl eher von einem Kollektiv als einer Band sprechen, was zur naheliegenden Selbstauskunft der Gruppe führt, dass man niemals zweimal die gleiche SIENA ROOT-Show sehen wird (wie auf der Homepage zu lesen).
Das kann ich gut nachempfinden, kam dieser Auftritt bei mir (bei aller Klasse desselben) nicht so gut an wie der 2011, als ich das Quartett das erste Mal sah; und schon gar nicht so gut wie der Genuss des 2011 veröffentlichten Live-Albums „Root Jam“, obwohl teilweise die gleichen Songs gespielt wurden. Auch, dass die Ethno-Exkursionen nur in Punkto Sitar-Begleitung auftauchten und leider kein einziges Mal in solcher Konsequenz verdaddelt wurden wie auf der „Different Realities“-LP von 2009 ist wohl bei so einer Tour normal, für mich trotzdem etwas schade, weil ich eben weiß, was da noch gehen könnte.
Letztendlich ist das aber das berühmte „Jammern auf hohem Niveau“, weil es natürlich trotzdem ein saugeiler Konzertabend war. Das ansprechend, aber lange nicht prall gefüllte Nachtleben beherbergte einige Gestalten, die 2011 definitiv nicht dabei waren und ließ somit eine bescheidene Publikumssteigerung erkennen; die meisten waren jedoch weitaus älter als die Anwesenden bei KADAVAR oder GRAVEYARD, um den Kreis mal zu schließen. Und das ist schade. Bands wie SIENA ROOT, VIBRAVOID, COLOUR HAZE, GIÖBIA und etliche andere hätten deren Publikum auch verdient – und deren Publikum diese Bands.
Links: http://sienaroot.com/, https://myspace.com/sienaroot, http://www.lastfm.de/music/Siena+Root
Text & Fotos: Micha
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