Das Bett, Frankfurt, 30.04.2015
Jahrelang habe ich rumgemeckert und -gejammert über den Umstand, dass in Rhein/Main so wenig los ist auf dem Live-Sektor, verglichen mit Berlin, Hamburg und Köln. Stimmt natürlich nicht wirklich und ist sehr von Subjektivität geprägt, aber in einigen von mir favorisierten Spielarten des Rock ist bei uns wirklich sehr tote Hose. Was Acid/Psych/Stoner-Rock angeht, ist diese Durststrecke vorbei, seitdem im Frankfurter Club „Das Bett“ und anderswo die Sky High-Veranstaltungen stattfinden. Bei den Festivals sieht es sogar so aus, dass Frankfurt gegenüber anderen Orten einen extremen Vorteil hat – laufen unter diesem Banner doch hier in der Regel zwei hochkarätige Touren zusammen, die mit einem lokalen Act zum Festival aufgebrummt werden. Resultat: Stundenlang Erlesenes auf die Ohren in einer Konstellation, die in dieser Art bundesweit einmalig ist (wenn man von dem einen oder anderen Festival in Berlin oder Leipzig oder im Sauerland mal absieht, das aber auch nur einmal im Jahr stattfindet). Dafür schon mal Danke sehr.
Flyer „Sky High Festival“
Der Besuch lohnt sich also immer, auch, wenn es manchem so wie mir geht und man an bestimmten Abenden wenig Plan davon hat, was da auf einen zukommt. Außer dem Hanauer Opener CLIFFSIGHT, der erst drei Wochen vorher im Elfer Club zu sehen war (Bericht hier), kannte ich diesmal keine Band – die Marke war es schlicht, die zum Verweilen lud. Und das, dem „Tanz in den Mai“ angemessen, konnte man bis weit nach Mitternacht.
Als CLIFFSIGHT leicht verspätet die Bühne betraten waren noch nicht sehr viele Leute anwesend – richtig voll wurde es zwar den ganzen Abend lang nicht, aber durchaus gemütlich. „Hallo Sky High“ grüßte Frontmann Tim Cammerzell lässig und stieg sogleich mit „Rascal Girl“ vom letzten Tonträger „Kokoro“ ein, der noch für vier weitere Songs gut war. Im Vergleich zu ihrem Gig vor SLEEPY SUN vor einigen Jahren war das natürlich weniger intensiv, auch die Spielzeit war viel kürzer. Trotzdem (und da
Cliffsight
widerspreche ich meinem Bloggerkollegen Vitus ausdrücklich) alles andere als fad, ganz im Gegenteil. CLIFFSIGHT sind für mich eine der herausragenden Gitarrenbands der Region, aber noch besser sind sie auf langen Strecken. So blieb eine halbstündige Empfehlung für den nächsten Gig in „Das Bett“ (11. Juli 2015), dann als Releaseparty von VISDOM mit hoffentlich längerer Spieldauer.
LO-PAN aus Columbus, Ohio spielten anschließend Stoner-Rock, der live aber so schwer doomig rüberkam wie die Akteure auch aussahen. Einzig der Neuzugang an der Gitarre, das – laut einem last.fm-Kommentator – „Kid out of High School“ Adrian Zambrano, wuselte agil auf seiner Bühnenhälfte (und später als begeisterter Fan von BLACK PYRAMID auch vor dem Podest).
Lo-Pan
Er verlieh dem Wüstenrock einen exzellenten Drive, übertönte aber zuweilen das feine Sangesorgan von Jeff Martin, welches auf den empfehlenswerten Longplayern „Sasquanaut“ und „Salvador“ weit besser zur Geltung kommt. Trotzdem überzeugte die Band auf ganzer Linie. Pause nach 45 Minuten, der zweite Tourtross schob sich ins Programm.
Die Berliner HEAT faszinierten mich am meisten am gestrigen Abend, wie ich zugeben muss. Optisch und durch die Ansagen des Sängers Patrick Fülling kam mir der Kontrast zwischen anderen Retrobands und HEAT vor wie der zwischen Großstadtclub und Dorfdisse, aber die Songs und wie sie dargebracht wurden – Hut ab, das war famos und eine der fettesten und eigenständigsten Zeitreisen in die Siebziger, die man mit Originalkompositionen buchen kann.
Heat
Bassist Richard Behrens (unten) war ja mit SAMSARA BLUES EXPERIMENT schon mal Headliner auf einer solchen Veranstaltung – ich hatte jedoch den Eindruck, dass er mit HEAT weit mehr Spaß hatte. Posen bis der Arzt kommt ohne eine Sekunde peinlich zu sein, weil die Posen nicht einstudiert wirken und mit großartiger Musik beschallt werden – dazu mit einer sympathischen Natürlichkeit versehen, die anderen in dem Genre so langsam abzugehen scheint. HEAT waren in meiner Welt die Gewinner nach Punkten auf einem Event, welches ohnehin nur Sieger zu bieten hatte. Darauf ein Weizenbier.
Bier spielte auch eine Rolle bei den folgenden BRUTUS, die mit HEAT in den letzten Wochen auf Tour waren und sich mit denen wohl ebenso gut verstanden wie BLACK PYRAMID mit LO-PAN (glaubt man den Facebook-Protokollen). Die schwedisch/norwegische Band, die auch schon mit den hervorragenden THE GRAVIATORS (Bericht hier) eine Split-Single veröffentlichte, stellt einen weiteren Beweis für die These dar, dass es im hohen Norden einen Genpool zu geben scheint, der den Rest der Welt mit vorzüglichen Klängen beglückt, egal ob im Gitarrenrock oder im Jazz.
Brutus
Dass die räudige, alkoholgeschwängerte Performance der Skandinavier vollends verzückte schien aber weniger an deren als an meinem Bierkonsum zu liegen – der (in weizenbiergeschwängerter Euphorie irrtümlich zweimal erstandene) Tonträger „Behind the Mountains“ gefällt zwar auch im Nachhinein, begeistert mich jedoch deutlich weniger als Vergleichbares z. B. von den GRAVIATORS oder der stimmungsvolle Auftritt. Keine Klagen jedoch – nur spät wurde es, langsam.
Zu spät für Abhängige des öffentlichen Nahverkehrs – als BLACK PYRAMID durchstarteten, war die Hütte letztlich nicht viel voller als beim Opener CLIFFSIGHT – nur besoffener waren alle, ich eingeschlossen. Nicht jedoch das Trio aus Massachusetts.
Black Pyramid
Basser David Gein zelebrierte eine Coolness, die im besonderen Kontrast stand zur Schweiß- intensiven Schwerstarbeit des Schlagzeugers Clay Neely und des Gitarristen/Sängers Darryl Shepard (unten). LO-PANs Zambrano versuchte stimmungstechnisch die fehlende Besucherschar für die Band zu ersetzen, die am meisten dem kompromisslosen Metal frönte und den Abend damit extrem erlesen und stilvoll zum Abschluss brachte. Großartig, auch bei nüchterner Nachbetrachtung zuhause. Bitte bald wieder buchen. Gegen 2 Uhr morgens war dann Schicht und der folgende Tag ein Feiertag, zum Glück. Hat mächtig Spaß gemacht.
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Text, Fotos & Clips: Micha
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