Elfer Music Club, Frankfurt, 10.08.2015
T-Shirt-Aufdrucke wie „Everything angrier than everything else“ und „Keeping Hardcore evil“ machten am gestrigen Abend bereits vor dem Auftritt von SLAPSHOT deutlich, dass keine gewöhnliche Hardcore-Formation im Frankfurter Elfer gastierte. Die Band war schon immer drastischer, provokanter und wütender als die meisten ihrer Konkurrenten und ist so etwas wie die Essenz des Boston-Hardcores, der vor allem für militante Straight-Edge-Acts wie SS DECONTROL, D.Y.S. und NEGATIVE FX sowie für Live-Shows bekannt ist, die eher an MMA-Fights als an Konzerte erinnern. Shouter von NEGATIVE FX, die lediglich von 1981 bis 82 existierten, war Jack Kelly, der im Anschluss das Projekt LAST RITES und im Jahr 1985 schließlich SLAPSHOT ins
Leben rief. Heute, anno 2015, ist er dessen einzig verbliebenes Gründungsmitglied. Und wer den Mann schon mal live erlebt hat, der weiß, dass er ähnlich wie Sammytown von FANG oder John Brannon von NEGATIVE APPROACH ein Typ ist, dem man nicht gerne nachts begegnen möchte. Kelly ist ein Hitzkopf, einer, der erst redet und dann darüber nachdenkt und einer, der einen Humor hat, über den nicht jeder lachen kann. In New York ist er seit dem Song „New York Sucks“ Persona non grata, da half auch eine 2013 auf YouTube veröffentlichte offizielle Entschuldigung nichts.
In linken Kreisen gilt er als homophob und patriotisch, nicht zuletzt, da er auch ins amerikanische Oi!-Projekt STARS AND STRIPES involviert war, das er selbst als Satire-Band bezeichnet. Tracks wie „Shoot Charlton Heston“ und diverse Anti-Kriegs-Lieder von SLAPSHOT sprechen wiederum eine ganz andere Sprache. Kurzum, die Aussagen von Kelly sind ambivalent, aber schließlich ist der Mann weder Philosoph noch Geisteswissenschaftler, sondern ein Straßenköter, der die Dinge, die ihn bewegen in Songtexte umwandelt, mal besser, mal schlechter, mal peinlich, mal beachtlich. Eben dies macht einen der Reize des Hardcore-Genres aus.
Ungewöhnlich am Abend war, dass ich zwar wie üblich gegen 20:30 Uhr eintraf, mir diesmal aber nicht anhören musste, dass ich die Vorgruppen bereits verpasst hatte. Tatsächlich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal der Opener VEILSIDE aus Frankfurt/ Offenbach begonnen, sodass noch ein wenig Zeit für Smalltalk und Alkohol-Aufnahme blieb. Die lokale Band habe ich mir nach kurzem Reinschauen dann geschenkt, und das nicht etwa, weil sie schlecht gewesen wäre, sondern weil es mir bei gefühlten 50 Grad schlichtweg zu warm im Keller war. Sorry, Jungs.
Gut 20 Minuten nachdem VEILSIDE die Bühne verlassen hatten, gehörte der Club den Herren von SLAPSHOT. Diese betraten die Empore im schwarzen Einheitslook (der sich sogar bis zum gleichen Schuhwerk eines deutschen Sportartikel- Herstellers erstreckte). Dies machte optisch schon mal einen finsteren Eindruck und wirkte wie eine Horde brutaler Gefängniswärter, die ihren „Gefangenen“ nachfolgend klar machte, wer der Herr im Hause ist.
Mit dem ersten Akkord von Gitarrist Craig Silverman (vormals BLOOD FOR BLOOD und AGNOSTIC FRONT) wurde Sänger Jack Kelly, der bisher apathisch auf dem Podest verharrte, plötzlich wach. Es war, als ob Strom durch seinen Körper fließen würde und er nun den Schmerz und die Wut, die er spürte, herausbrüllte. Und das macht keiner so wie Kelly. So brutal, mit so viel Körpereinsatz und mit einer Stimme, die jeden Drill-Sergeant der Army alt aussehen lässt. Tatsächlich habe ich bisher wenige Hardcore-Shouter gesehen, die mit über 50 noch solche Wut im Bauch haben. Und auch wenn die Lyrics, die Kelly als 25-Jähriger verfasst hat, vermutlich längst nicht mehr seiner heutigen Meinung entsprechen, so bot er sie zumindest optisch mit einer ungeheuren Inbrunst dar.
Das Publikum schien dabei sichtlich beeindruckt vom aggressiven Gebrüll des Amerikaners und hielt zunächst einen deutlichen Sicherheitsabstand zur Bühne, der sich erst im Laufe des Gigs verringern sollte. Die Songsauswahl konzentrierte sich auf Tracks des ersten Albums „Step On It“, des vierten Albums „16 Valve Hate“ und des aktuellen, schlichtweg „Slapshot“ betitelten Werkes. Darüber hinaus wurden Klassiker wie „Chip On My Shoulder“ oder Hymnen wie „Old Tyme Hardcore“ gespielt, zudem gab es Cover-Versionen von NEGATIVE FX (Might Makes Right“) und den STARS AND STRIPES („Shaved for Battle“).
Nach etwa 70 Minuten war das Drill-Training schließlich vorüber und alle negativen Schwingungen, die man zuvor als Zuschauer noch in sich trug, verschwunden. Faszinierend, was ein Konzertbesuch alles bewirken kann. Therapeuten nennen so etwas wohl Aggressionsbewältigung. Für mich war es Old-Time-Hardcore at it’s best.
Links: http://www.oldtimehardcore.com/, https://www.facebook.com/SlapshotBoston, https://slapshot1.bandcamp.com/, http://beta.last.fm/de/music/Slapshot
Text & Fotos: Marcus
Clip: am Konzertabend aufgenommen von Dirk K.
Alle Bilder: