SLIME & SCHEISSE MINNELLI

Zoom, 11.10.2012

SLIME, 1979 gegründet, zweimal aufgelöst und wieder reformiert, sind zweifelsohne die bedeutendste deutsche Punkband. Wer der Meinung ist, dass Spaßkasper wie DIE ÄRZTE oder die TOTEN HOSEN etwas mit Punk zu tun haben (okay, „Opelgang“ wollen wir mal gelten lassen), der ist als Leser dieser Review ohnehin fehl am Platze. Das, was ich an SLIME schon immer geschätzt habe, war die konsequente Gradlinigkeit in Text und Musik. Da wurde nicht rumgewinselt, nichts intellektuell verklausuliert, sondern das Kind beim Namen genannt: „Deutschland muss sterben!“, „Bullenschweine“, „Ich glaube eher an die Unschuld einer Hure, als an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz“ – SLIME haben stets das auf den Punkt gebracht, was andere nur dachten.

Dies hat sich bis heute nicht geändert, SLIME sind immer noch authentisch und wenn sie mit ihrer Musik inzwischen sogar ein bisschen Kohle verdienen können, dann sei es ihnen gegönnt. Die Befürchtung, dass das Zoom sich am gestrigen Abend nicht füllen würde, weil es eine kommerzielle und keine selbst verwaltete Location ist und daher von den Punks boykottiert werden könnte, bewahrheitete sich nicht. Trotz 20 Euro Eintrittspreis strömten zahlreiche junge, alte und bunte Besucher in den Laden.

Dieser war spätestens zu dem Zeitpunkt, als SLIME auf die Bühne kamen, sehr gut gefüllt, wenn auch nicht ganz ausverkauft.

Vor dem Hauptact traten noch die Frankfurter Lokalmatadore SCHEISSE MINNELLI (Fotos rechts und unten) auf, die es mit ihrem oldschooligen Skatecore vor einem Deutschpunk-Publikum sicherlich nicht leicht hatten, aber wohl dennoch einige neue Fans gewannen. Die Band spielte zwar nur einen stark verkürzten Set, lockte im Laufe des Gigs aber immer mehr Leute

vor die Bühne, die sich von der energetischen Show des deutsch-amerikanischen Vierers angezogen fühlten. Shouter Sam sprang durch die Luft, als ob er ein Trampolin gefrühstückt hätte und Basser Dash sowie Gitarrist Mikey taten ihr übriges, um das turbulente Geschehen wie eine Mischung aus Kneipenschlägerei und Airskating aussehen zu lassen. Nach gut einer halben Stunde und Hits wie „Fighting Reality“, „Street Boozin’“ und „Socially Retarded“ machten dann die jungen Wilden für die älteren, aber immer noch Wilden Platz.

Das Licht ging aus und der Gig von SLIME wurde durch ein Intro eingeleitet, in dem Auszüge aus dem Indizierungsbescheid zur ersten SLIME-Scheibe zu hören sind. Mitnichten eine Reminiszenz an die 80er Jahre, sondern hochaktuell, denn „Slime 1“ wurde erst im vergangenen Jahr indiziert und darf Jugendlichen unter 18 Jahren seither nicht mehr zugänglich gemacht werden. Die Sinnhaftigeit der Indizierung eines Albums, das vor 30 Jahren erschienen ist, sei mal dahin gestellt, für SLIME ist dies aber sicherlich ein nettes Kompliment, das der Band auch heute noch und ganz offiziell von staatlicher Seite eine gewisse Gefährlichkeit attestiert.

Nach dem theatralischen Intro ging’s los mit „Wir geben nicht nach“, einem Song des neuen Albums „Sich fügen heißt lügen“, auf dem die Gruppe diverse Texte des anarchistischen Dichters Erich Mühsam vertont hat, der 1934 von Nazis ermordet wurde. Zwar ein gewagtes Experiment, das aber als gelungen zu bezeichnen ist – die aktuellen Songs reihten sich nahtlos ins Set ein und harmonierten perfekt mit den alten Klassikern, die natürlich den Auftritt dominierten. So folgte Hit auf Hit, wobei nahezu jedes Stück vom gesamten Publikum, egal ob vor der Bühne oder an der Bar, lautstark mitgegrölt wurde, fast kam man sich vor wie in der Fankurve eines Fußball-Stadions.

Mit von der Partie waren unter anderem „A.C.A.B.“, „Untergang“, „Zu kalt“, „Schweineherbst“, „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“, Sich fügen heißt lügen“, „Religion“, „Störtebeker“, „Linke Spießer“, „Alle gegen alle“ und viele mehr. Natürlich gab es außerdem auch Statements zu bestimmten politischen Themen, die anschließend mit dem passenden Song unterstrichen wurden. So zum Beispiel bei „Gewalt“, vor dem Sänger Dirk zur Absage des Antifacamps in Dortmund Stellung bezog, bei dem auch SLIME spielen sollten. Dieses war aber vom Bürgermeister der Stadt mit der Begründung „Die Nazis könnten sich provoziert fühlen“, verboten worden.

Auch zur Indizierung von „Bullenschweine“ und „Polizei SA/SS“, die SLIME nicht mehr live spielen dürfen, hatte die Band eine Antwort parat: Mit den an die Bundesprüfstelle gerichteten Worten „Wenn ihr uns so kommt, dann kommen wir euch so…“, kündigte sie eine Coverversion der ebenfalls aus Hamburg stammenden und 1978 gegründeten BUTTOCKS an. Gespielt wurde ein Lied – Insider dürften es kennen – das den Aussagen der indizierten Songs gleich kommt und eigentlich noch einen drauf setzt. So etwas nennt man wohl Schlagfertigkeit.

Die Wucht und Energie, die SLIME an den Tag legte, war bewundernswert. Die Band wirkte, als ob sie in dieser Besetzung bereits seit einer Dekade gemeinsam spielen würde, und dies obwohl die drei alten Recken, Dirk, Elf und Christian erst seit zwei Jahren durch Drummer Alex (u.a. HASS, EISENPIMMEL und

RASTA KNAST) und Bassistin Nici (DIE MIMMI’S) verstärkt werden. Als Highlight des Konzerts erklang dann schließlich der bekannte Basslauf von „Deutschland muss sterben“, der die Menge noch einmal komplett ausrasten ließ.

Alles in allem erlebte ich einen stimmungsvollen Abend, inklusive Bierdusche und blauen Flecken, die meinem Einsatz als „Frontfotograf“ geschuldet waren. Das Dabeisein hat sich aber auf jeden Fall gelohnt, denn die Band einmal in einem recht überschaubaren Laden zu sehen, war ein echtes Erlebnis. Ich hatte SLIME zuvor nur in der Batschkapp und auf einem Festival gemeinsam mit den CRAMPS und den RAMONES gesehen, aber nie in einem relativ kleinen Club wie dem Zoom. Der Abend wird mir noch lange in Erinnerung bleiben – und dies nicht nur wegen den blauen Flecken. In diesem Sinne, A.C.A.B.!

Links: http://www.slime.de, http://de.myspace.com/slime79, http://de.myspace.com/slimepunk, http://scheisseminnelli.com/, http://www.myspace.com/scheisseminnelli

Text & Fotos: Marcus
Clip: aufgenommen am Konzertabend von VodkaViolator

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