Zoom, Frankfurt, 18.12.2014
Die STRASSENJUNGS sind eine Institution und darüber hinaus eine der wenigen Frankfurter Bands, die auch über die Stadtgrenzen hinaus Kultstatus genießt. Ob Berlin, Hamburg oder Stuttgart, wann immer man Musik-Begeisterte aus anderen Regionen begegnet und das Thema auf Frankfurter Music-Acts fällt, so hat meist jeder eine Geschichte zu den STRASSENJUNGS zu erzählen, zumindest wenn er in den Sechziger oder Siebziger Jahren geboren wurde. Sei es die Anreise zu einem Konzert in jugendlichen Jahren, ein bestimmter Song oder die Tatsache, dass das erste Album der Combo aus dem Jahr 1977 datiert und somit aus einer Zeit stammt, da Punk in Deutschland noch gar nicht existent war.
Dabei war der Erstling namens „Dauerlutscher“ eigentlich als Experiment zweier cleverer Produzenten gedacht, die mit der Scheibe so etwas wie die deutsche Antwort auf die SEX PISTOLS liefern wollten. Als Label für dieses Unterfangen konnte damals der Major CBS gewonnen werden, zudem wurden die Jungs mit der englischen Punk-Ikone THE CLASH auf Tour geschickt. Doch der Erfolg blieb aus, die Produzenten zogen sich zurück (Axel Klopprogge sollte später mit dem NDW-Act Markus mehr Erfolg haben) und der CBS-Plattenvertrag wurde nicht verlängert. Kaum aus der Taufe gehoben, waren die STRASSENJUNGS schon wieder Geschichte – wäre da nicht Basser Nils Selzer gewesen, der sich nachfolgend die Namensrechte sicherte und das Projekt mit neuen Musikern auf seinem eigenen Label Tritt Records weiterführte. Selzer übernahm fortan den Gesang und fand 1980 mit Volker „Pickup“ Picard einen neuen Basser, der bis heute Teil der Band ist. Ansonsten drehte sich das Personal-Karussell stetig, auch der heutige hr-Rundfunk- und TV-Moderator Jörg Bombach und Seppl Niemeyer von FLATSCH waren mal mit von der Partie.
Die „neuen“ STRASSENJUNGS präsentierten bereits zwei Jahre nach „Dauerlutscher“ ein neues Album, das den Namen „Wir ham ne Party“ trug und musikalisch neue Wege beschritt. Während „Dauerlutscher“ deutliche Merkmale des Punk aufweist und aufgrund seiner anstößigen Texte immerhin 25 Jahre auf dem Index der Bundesprüfstelle stand, lassen sich alle folgenden Alben der Kategorie „Deutschrock“ zuordnen, Parallelen zu frühen Werken von Marius Müller-Westernhagen und der Zeltinger Band sind eher gewollt, denn zufällig. Tatsächlich tue ich mich mit den Scheiben der STRASSENJUNGS ab 1979 etwas schwer, da ich nicht wirklich viel mit Deutschrock anfangen kann. Wenn man sich aber auf die einzelnen Veröffentlichungen – insbesondere „Wir ham ne Party“ (1979), „Los!“ (1981) und „Sex“ (1986) – einlässt, dann finden sich darauf durchaus einige Perlen, die aber ob der nicht gerade wuchtigen Produktion der Scheiben leider nie ihr ganzes Potential entfalten konnten. Hört man Songs wie „Durchgemacht“ oder „Immer weiter geh’n“ aber live, dann rangiert dies durchaus auf dem Niveau von frühen englischen Punk-Bands wie den LURKERS oder den VIBRATORS. Aus diesem Grund war ich auch diesmal wieder dabei, als die STRASSENJUNGS zu einem ihrer selten gewordenen Gigs einluden.
Als Opener im Frankfurter Club Zoom agierten einmal mehr die BORNHEIM BOMBS um Sänger Biebl (rechts), über die wir in diesem Blog bereits des öfteren berichtet haben. Bei zwei Songs unterstützt durch ROCKY- und COPYCATS-Frontfrau Silke, sorgte die Combo auch diesmal wieder für Stimmung, Tanz und gute Laune und präsentierte sich ob der Tatsache, dass der Stil der Jungs ähnlich wie der der STRASSENJUNGS ist, als optimaler Support.
Im Anschluss hatte es die Legende erstmal schwer, denn natürlich agierten die „alten Männer“ auf der Bühne weniger agil als die „jungen Kerle“ der BORNHEIM BOMBS. Der deutliche Zwei-Meter-Abstand des Publikums zum Podest war aber dann doch etwas überraschend. Wer allerdings knapp 40 Jahre Bandgeschichte vorzuweisen hat und an die 1000 Konzerte gespielt hat, der lässt sich davon natürlich überhaupt nicht beeindrucken. Sänger Nils Selzer lieferte gewohnt flapsige Sprüche wie „Ich hab immer gesagt: „Geschlechtsverkehr statt Bundeswehr!“ und hatte eine exquisite Setlist zusammengestellt, die die Besucher zunächst langsam auftauen und schließlich, wie beim Song „Immer weiter geh’n“, ausrasten ließ.
Geboten wurden unter anderem „Birgit O.“, „Dauerlutscher“, „Jeder Mensch ist mal alleine“, „Bundeswehr“, „Einer ist immer der Arsch“, „Bankfurt“, „Kerl biste hohl“, „Spießer am Spieß“, „Günter S.“ und als Zugaben „Wir ham ne Party“, „Adios Amigos“ und „Immer weiter geh’n“. Die Setlist war übersichtlich, enthielt aber immerhin ausschließlich Highlights. Warum allerdings zwei der besten Songs – „Ich brauch mein Suff“ und „Nachts auf Tour“ – nicht gespielt wurden, hat sich mir nicht erschlossen. Aber vielleicht kann man sich ja mit den „extremen“ Songs der frühen Tage nicht mehr hundertprozentig identifizieren.
Ein Klasse-Abend war’s trotzdem und die etwa 80 Besucher, darunter auch viele Eltern, die ihre Kids im Schlepptau hatten, erlebten eine feucht-fröhliche Party, die sicher bei einigen nostalgische Gefühle aufkommen ließ. Wer die Band noch nicht gesehen hat – als Frankfurter ist dies ohnehin Pflicht – dem sei der nächste Live-Gig dieser heimischen Rock-Legende wärmstens ans Herz gelegt. Es lohnt sich. Mehr von den STRASSENJUNGS gibt’s im „Canale Grande“, dem YouTube-Channel der Combo (hier) zu sehen, der allerlei Klimbim aus alten Tagen, aber auch Aktuelles bietet. Die komplette Bandgeschichte ist übrigens eindrucksvoll auf der 2013 erschienenen DVD „Dauerlutscher Report“ zu sehen, die jedem Punk-Historiker empfohlen sei.
Links: http://www.diestrassenjungs.de/, http://www.lastfm.de/music/Strassenjungs
Text & Fotos: Marcus
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