SVETLANAS & TONY GORILLA

Au, Frankfurt, 14.04.2018

SvetlanasEin besonderes Powerpack für die Punk- und Hardcore-Freunde des Rhein/Main-Gebiets hielt die Frankfurter Au am gestrigen Samstagabend bereit: Die SVETLANAS mit ihrer russischen Frontfrau Olga (rechts), denen der Ruf der „Most Dangerous Band in the World“ vorauseilt, traten samt den Support-Acts von TONY GORILLA aus NRW und den lokalen RITUAL INSULTS an, um die gut besuchten Räumlichkeiten des kleinen Rödelheimer Kellerclubs in eine schwitzige Sauna zu verwandeln. Und in der Tat, es sollte heiß hergehen…

Über die junge Frankfurter Combo RITUAL INSULTS haben wir bereits beim Konzert von SPUNK VOLCANO berichtet (hier), hatten den Auftritt allerdings nicht mit Bildern dokumentiert, was wir nun nachholen wollen. Das Quartett um Ritual InsultsFrontfrau Isa dürfte mit dem gestrigen Auftritt gerade mal eine Handvoll Shows gespielt haben und wirkte dafür schon sehr routiniert. Musikalisch wurde 80s-Punk- und Hardcore-Bands gehuldigt, was einmal mehr die Cover-Versionen von den MISFITS („Hybrid Moments“) und von FEAR („I Don‘t Care About You“) belegten. Die Ritual Insultseigenen Songs schlagen in eine ähnliche Kerbe und wussten durchaus zu gefallen, wobei die Rookies gegenüber den nachfolgenden Formationen doch etwas brav wirkten. Aber es ist schließlich noch kein GG Allin vom Himmel gefallen und so bin ich zuversichtlich, dass da in Zukunft noch einiges geschehen wird. Das Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden.

Dann wurde es Zeit für Band Nummer Zwei des Abends, TONY GORILLA, deren Sänger Chris aus Essen, der Rest des Quintetts aus Dortmund kommt. Die Hardcore/Punk-Band existiert seit 14 Jahren, die erste Platte „Untamed Beast“ Tony Gorillaerschien 2007. Später legte die Formation mit „Season of the Wolves“ (2011) und „It Takes a Spark“ (2015) zwei weitere Longplayer nach. Aktuellste Outputs sind die 3-Track-Single „No Turning Back“ und eine Split-EP mit CHRISTMAS und MARECHAL, beide vom vergangenen Jahr. Die Jungs aus dem Ruhrpott haben in der Au noch nie ihre Visitenkarte abgegeben (kaum zu glauben, aber wahr), man durfte also gespannt sein.

Tony GorillaNachdem seine Mitstreiter ihre Plätze auf der Bühne schon eingenommen hatten, schlurfte der Frontmann als Letzter zum Podest, erkundigte sich gut gelaunt „Wie weit sind wir denn?“ und schwang, nachdem ihm ein „Fertig!“ entgegnet worden war, seinen Körper selbst auf die Bretter. Was dann folgte, war für alle, die energiegeladene Bühnenshows lieben, ein Fest für Augen und Ohren: Unterlegt von den fetten Tony GorillaGitarrenriffs seiner Kollegen Gregor und Roald, Roadie Phil (der die erste Hälfte des Sets an der Gitarre ran durfte) ‚Silent Bob’ am Bass und ordentlich Dampf auf den Kesseln von Drummer Richie tobte Sänger Chris ein Dutzend Songs lang wie ein Berserker sowohl vor als auch inmitten des moshenden Publikums. Große Klasse, authentischer geht Hardcore meiner Ansicht nach nicht.

Während die Stimme des langen Schlakses mit Glatze phasenweise der des Ex-MISFITS- und SAMHAIN-Sängers Glenn Danzig ähnlich ist (wurde schon verschiedentlich geschrieben, aber stimmt halt einfach), erinnerte mich der bekennende Straight-Edger sowohl vom Aussehen als auch von seinem Habitus her an den YUPPICIDE-Frontmann Jesse Jones – bis auf die zahlreichen Sprünge, die Tony Gorillaletztgenannter ebenso nicht (mehr) macht wie SPERMBIRDS‘ Lee Hollis, der das früher auch ziemlich gut draufhatte. In diesem Punkt können gegenwärtig, zumindest was deutsche Bands betrifft, eh nur wenige mithalten. Genauso gut habe ich das zuletzt eigentlich nur von Chris’ Sangeskollegen Marcel von den ebenfalls aus NRW stammenden SNIFFING GLUE gesehen. Ich würde beide Combos gerne mal an einem Abend erleben!

Nach dem Auftritt konnte man am Plattenstand eine wunderschön aufgemachte, auf 90 Stück limitierte Coloured-Edition der dritten LP „It Takes a Spark“ erwerben, deren Track-Liste nebst Verzierungen stets vor Ort von Sänger Chris Tony Gorillapersönlich auf das Innencover jedes einzelnen verkauften Exemplars gemalt wird. Ich denke, wer sich antut, nach den Shows erschöpft eines oder mehrere von 90 verschiedenen Artworks zu erstellen, der muss schon sehr lieben, was er da tut und was er vertritt. Und das merkte man am gestrigen Abend nicht nur ihm, sondern allen Mitgliedern von TONY GORILLA an. Bitte mal häufiger in Frankfurt vorbeischauen und den Pit aufmischen.

Nun stand nur noch der Headliner des Abends aus. Auf die SVETLANAS wurde ich erstmals aufmerksam, als sie 2016 gemeinsam mit ANTISEEN und HAMMERLOCK durch die Staaten tourten und dort einen bleibenden Eindruck Svetlanashinterließen. Im gleichen Jahr erschien eine Split-Single mit den mächtigen DWARVES, die musikalisch ähnlich wie die SVETLANAS agieren – geboten wird schneller, unbändiger Punkrock mit eingängigen Refrains und rebellischen Texten. Acts wie ZEKE, die NOBODYS oder die QUEERS drängen sich als Vergleiche auf, die Songs sind selten länger als zwei Minuten und werden stets vom markanten Organ von Frontfrau Olga dominiert.

SvetlanasTatsächlich gibt es das Quartett aber schon eine ganze Dekade, die erste Split-Single datiert aus dem Jahr 2008, so dass anzunehmen ist, dass die Mailänder bereits zehn oder mehr Jahre auf dem Buckel haben. Und ja, die Combo stammt tatsächlich aus Mailand, kolportiert aber bereits seit ihrem Bestehen erfolgreich, dass es sich um eine russische Band handle. In manchen Biografien wird Sängerin Olga als Svetlanasehemalige Pussy-Riot-Aktivistin bezeichnet, die Russland aufgrund von Morddrohungen verlassen musste, in anderen heißt es, sie sei eine ehemalige KGB-Agentin, schon klar… Letztendlich klingt es nun einmal gefährlicher, wenn ein Album „This is Moscow not LA“ statt „This is Milan not LA“ heißt. Und Gefährlichkeit wird bei den Italienern groß geschrieben, titulierte Gitarrist Nick Olivieri (u. a. KYUSS, QUEENS OF THE STONE AGE, THE DWARVES), der gelegentlich auch bei den SVETLANAS die Axt schwingt, die Truppe doch als „Most Dangerous Band in the World“. Ein Zitat, das mittlerweile die Runde gemacht hat und sich auch gerne mal auf Konzertflyern wiederfindet.


Doch egal ob Moskau, Mailand oder sonstwo her: Fest steht, dass die SVETLANAS auf ihren bisherigen vier Longplayern High-Energy-Punkrock zelebrieren, der großen Spaß macht und mit Titeln wie „Where is my Borscht?“ Svetlanas„Go Go Gagarin“ und „KGB is Dead“ auch einen gewissen Humor offenbart. Darüber hinaus geht‘s textlich hauptsächlich ums Partyfeiern, Saufen und auf die Fresse hauen. Und dies sind im Punk nicht die schlechtesten Inhalte, versprechen sie doch in der Regel einen stimmungsvollen Partyabend. Und ein solcher sollte es werden: Als die SVETLANAS loslegten, schien es, als ob jemand den Zünder eines Sprengsatzes Svetlanasumgelegt hätte und die Bühne nun explodierte. Besonders Olga legte eine Performance hin, wie ich sie seit Wendy O. Williams nicht mehr erlebt habe. Das kleine Energiebündel gestikulierte wie einst Giovanni Trapattoni auf seiner legendären Pressekonferenz, schnitt Grimassen, machte Drohgebärden und sauste dabei wie ein losgelassener Luftballon über das Podest. Auf ihrem T-Shirt prangten die SvetlanasWorte „Cocaine Rodeo“ (der Titel des ersten Albums von Nick Olivieris MONDO GENERATOR) und lieferten damit auch die perfekte Beschreibung für die dargebotene Performance.

Olga trat barfuß auf und wirkte durchtrainiert wie eine Leistungssportlerin, die sie auch sein muss, denn anders hätte sie den 45-minütigen Non-Stop-Action-Exzess körperlich gar nicht durchstehen können. Musikalisch wurde ein SvetlanasQuerschnitt der bisherigen Outputs geboten, wobei die Tracks der letzten beiden Alben „Naked Horse Rider“ (2015, produziert von DWARVES- Sänger Blag Dahlia) und „This is Moscow not LA“ (2017) im Mittelpunkt standen. Mit von der Partie waren Hits wie „Vodka‘n‘Roll“, „People Suck“, „Let‘s get Drunk“, „Go Fuck Yourself“ und „I Must Break You“, zudem wurde mit „Speed Freak“ eine Cover-Version von SvetlanasMOTÖRHEADS „Iron Fist“-Album präsentiert, die man aber nur schwerlich erkannte, da der Song in doppelter Geschwindigkeit gespielt wurde. Nach dem Gig tropfte im Club der Schweiß von der Decke und die Zuschauer waren ebenso ausgepowert wie die Band selbst. Ich war entzückt und hoffe, dass ich bald noch einmal Gelegenheit haben werde, die SVETLANAS live zu erleben. Let‘s get drunk again!

Links: https://www.facebook.com/ritualInsults/, https://ritualinsults.bandcamp.com/, http://www.tony-gorilla.de/, https://de-de.facebook.com/tonygorillaband/, https://www.last.fm/de/music/tony+gorilla, http://www.svetlanas.su/, https://de-de.facebook.com/svetlanas77/, http://www.thesvetlanas.com/, https://www.instagram.com/svetlanas/, https://www.last.fm/de/music/Svetlanas

Text (RI/SV): Marcus / Text (TG): Stefan
Fotos (20) & Clip: Kai
Fotos (10): Boris, http://www.borisschoeppner.de/

Alle Bilder:

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