Burgwiesenhalle, Oberursel, 13.04.2019
Tag zwei der elften Ausgabe des Taunus Metal Festivals begann mit dem Einlass um 11 Uhr, die erste von zwölf Bands war für Punkt 12 Uhr angesetzt. Ich erreichte die Spielstätte in der Oberurseler Burgwiesenhalle gegen 16 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits die deutsche Heavy/Thrash-Formation CRUSHER, die italienischen Power-Metaller AIRBORN (nicht zu verwechseln mit den australischen Hard-Rockern AIRBOURNE), die Schweizer Metal-Barden EMERALD und die deutschen Thrasher ADDICT gespielt, die ich ebenfalls gern gesehen hätte. Aber in meinem Alter braucht es halt seine Zeit, bis der Kreislauf hochgefahren und der Rollator geölt ist…
Foto oben: Sänger Jurjen von Vortex
Als ersten Act des Tages sah ich daher die Franzosen FURIES, die klassischen 80s-Metal präsentierten und mit Basserin/Sängerin Lynda auch etwas fürs Auge zu bieten hatten. Outfittechnisch und musikalisch spiegelte das Quartett recht authentisch die Epoche wider und hatte mit „Electric Eye“ sogar eine Coverversion des bekannten JUDAS PRIEST-Klassikers im Gepäck.
Furies
Ansonsten ging‘s eher freudig-beschwingt zu, die Shirts (am Merchstand) waren kunterbunt, die Spielfreude groß und als Vorbilder dienten hier neben PRIEST ohne Zweifel ACCEPT, HELLOWEEN und MALICE, was vor allem am sehr hohen Gesang von Lynda lag. Insofern folgen die FURIES dem Konzept von aktuellen Vertretern wie CRYSTAL VIPER, den BURNING WITCHES und NIGHT VIPER und haben harte Konkurrenz, um sich im Haifischbecken des Female-fronted-Power-Metals durchzusetzen. Ich drücke die Daumen. Der Gig ging aufgrund seiner Energie und Spielfreude in Ordnung, obwohl ich zugeben muss, dass mich der hohe Gesang nach dem dritten Song aus der Halle trieb. Aber das ist wohl Geschmacksache.
Weiter ging‘s mit den mir bis dato unbekannten LYRA‘S LEGACY aus Bochum, die bereits vor dem Auftritt dadurch auffielen, dass auf allen Tischen im Foyer der Halle Flyer lagen, auf denen Pressestimmen zum 2018er-Debüt „Prisoner“ abgedruckt waren, die die Ruhrpottler über den grünen Klee lobten. Na, dann konnte der Gig ja nur gut werden.
Lyra’s Legacy
Und das war er vermutlich auch – für Leute, die auf anspruchsvollen Melodic-Metal im Stile von QUEENSRYCHE stehen. Mein Fall war‘s nicht, auch wenn es musikalisch nichts auszusetzen gab, außer dass es (mir) zu vorhersehbar und konventionell war. Aber ich stehe auch eher auf VENOM, denn auf RUSH. Next.
Auf SATAN‘S FALL hatte ich mich besonders gefreut, hatte ich doch im Hinterkopf, dass die Jungs finsteren Doom-Metal zelebrieren. Als das Quintett das Podest betrat, musste ich jedoch feststellen, dass mir mein Gedächtnis einen Streich gespielt hatte: Der Doom-Act nennt sich LUCIFER‘S FALL und kommt aus Australien,
Satan’s Fall
während SATAN‘S FALL aus Finnland stammen und im klassischen Heavy Metal verwurzelt sind. Der Bandname wurde vom gleichnamigen MERCYFUL FATE-Song inspiriert. Es war zwar kein Doom, aber gut war‘s trotzdem, denn die oldschoolige Mischung aus klassischem 80s- und Speed-Metal wusste zu gefallen. Angesiedelt irgendwo zwischen kauzigen US-Acts wie GRIFFIN, JAG PANZER und ATTACKER konnten mich SATAN‘S FALL als Fan gewinnen – nachdem ich mich an das etwas ungewöhnliche Outfit von Shouter Miika gewöhnt hatte. Bisher gibt‘s erst eine 4-Song-EP namens „Metal of Satan“ aus dem Jahr 2016 sowie eine aktuelle Single, man darf auf das Debüt-Album gespannt sein.
Als nächstes folgte die schottische Formation HELLRIPPER, die aus vier Kids bestand, die aussahen, als würden sie gerade die Schule schwänzen. Doch getreu der Redensart, dass man ein Buch niemals nach seinem Umschlag beurteilen soll, belehrten mich die Jungs schnell eines Besseren und machten den Auftritt zu meinem persönlichen Highlight des diesjährigen Festivals. HELLRIPPER, die laut der Encyclopaedia Metallum ein Ein-Mann-Projekt um Gitarrist/Sänger Jimmy McBain sind, spielen Black Speed, also Speed Metal mit Black Metal-Vocals und machen dies so begnadet, wie ich es lang nicht erlebt habe.
Hellripper
Wer sich für diese Spielart des Metals interessiert, sollte umgehend die Bandcamp-Website der Schotten (Link dazu unten) aufsuchen, in die neue EP „Black Arts & Alchemy“ reinhören und staunen. Ob die drei Musiker neben Jimmy zum festen Lineup gehören oder lediglich Hired Guns waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Fest steht, dass das Quartett mit einfachen Mitteln und ohne jeden Schnickschnack ein brachiales Inferno entfachte, das beim Festival seinesgleichen suchte. Einige der Shirts der Mitglieder – von MIDNIGHT und VULTURE – verrieten die Vorbilder von HELLRIPPER. Zu diesen zählen sicher auch SODOM, von denen die Briten den Song „Ausgebombt“ als Zugabe darboten, was das Publikum vor der Bühne in spontane Ekstase versetzte. Dank schicker Shirts mit klassischen Motiven dürften HELLRIPPER am Abend zudem diejenigen gewesen sein, die am meisten Merch über die Theke reichten. Allein in meinem Freundeskreis deckten sich gut ein Dutzend Leute mit HELLRIPPER-Shirts ein. Bleibt zu hoffen, dass sich das richtige Label des Projekts annimmt, um der Combo einen größeren Bekanntheitsgrad zu bescheren. All Hail the Goat!
Mit ROOT stand anschließend der nominelle Headliner des zweiten Festivaltages an, der über eine Spielzeit von immerhin 60 Minuten verfügen durfte. Tatsächlich habe ich mich sehr darüber gefreut, einmal in den Genuss zu kommen, die Tschechen livehaftig erleben zu können. Wer mit ROOT vertraut ist kann das vermutlich nachempfinden. Novizen in deren Universum sei gesagt, dass es sich um eine sehr künstlerische, ungewöhnliche und daher auch polarisierende Band im Metal-Genre handelt.
Root
Für die einen stellt sie eine Mischung aus LAIBACH, DSCHINGHIS KHAN (gemeint ist die Schlager-Combo) und einem Jäger-Chor auf psychedelischen Drogen dar, für andere sind sie ernstzunehmende Pioniere des Okkult-Rocks und eine der charismatischsten Gruppen des Genres. Unbestritten ist indes, das ROOT einzigartig und mit kaum einer anderen Formation vergleichbar sind.
Gegründet 1987 ist von den damaligen Mitgliedern lediglich noch Sänger Big Boss – der nennt sich wirklich so – übrig. Der kahlköpfige Gitarrist Alesh schwingt immerhin seit 1996 seine Axt, alle anderen kamen erst im neuen Jahrtausend hinzu. Big Boss, der im wahren Leben auf den Namen Jiří Valter hört, ist inzwischen 67 und Begründer des tschechischen Zweiges der Church of Satan. Der Mann hat Ausstrahlung. Als seine Mitstreiter bereits den ersten Song darboten, kam der kleine Mann auf einen Stock gestützt auf die Bühne und performte zumindest den ersten Track im Stehen, bevor er sich auf einen Hocker setzte und die Messe fortan im Sitzen zelebrierte – das hatte Stil und Würde.
Während seine Jünger für einen Klangteppich aus epischem, klassischen Heavy Metal, eingängigem Hardrock und Black Metal sorgten, thronte Jiří auf seinem Hocker und flüsterte unverständliche Beschwörungsformeln, intonierte im Opernstil und gab auch mal keifenden Sprechgesang mit rollendem „R“ zum Besten. Die Worte „Satan“ und „Antichrist“ fielen dabei recht häufig, es gab aber auch Songs mit tschechischen Lyrics, die eine gewisse Exotik offenbarten. Unterm Strich war‘s eine eindrucksvolle Performance mit einem faszinierenden Frontmann.
Wer nun dachte, dass es skurriler nicht kommen könne, der sah sich getäuscht. Denn als nächstes bescherte die Running Order den Gästen die 1979 gegründete niederländische Formation VORTEX. Diese war 1984 auf dem legendären „Dutch Steel“- Sampler vertreten und veröffentlichte in den Jahren
Vortex
1985 und 86 die Werke „Metal Bats“ und „Open the Gate“, die heute Kultstatus innehaben. Zum Titelsong „Open the Gate“ gibt es gar einen stilechten 80s-Metal-Clip mit Bikern, Rittern und einem Sänger, der in einen Knochen anstelle eines Mikros singt – unbedingt anschauen!
1990 lösten sich VORTEX auf, reformierten sich acht Jahre später aber wieder. Mit von der Partie sind seither noch Bandgründer und Gitarrist Martjo und Sänger Jurjen. Live hinterließ das Ganze einen schrägen Eindruck, nicht zuletzt, da es den Anschein hatte, dass mindestens einer der Mannen eine Perücke auf der Birne sitzen hatte. Frontmann Jurjen lüftete später das Geheimnis, in dem er sein Nietenstirnband abnahm, an dem die Haare befestigt waren. Das hatte etwas von SPINAL TAP, war aber wohl durchaus ernst gemeint. Musikalisch wurde traditioneller Heavy Metal geboten, bei dem auch der 80s-Hit „Open the Gate“ nicht fehlen durfte. Insofern sorgten VORTEX für eine wohlige Zeitreise in die wichtigste Dekade des Metals und machten damit viele Zuschauer glücklich.
oben: Vortex mit Fans auf der Bühne
Für mich markierte dies das Ende des diesjährigen Taunus Metal Festivals, wobei erwähnt sei, dass mit den Franzosen LONEWOLF und den Deutschen DRAGONSFIRE noch zwei weitere Acts folgten, die mit ihrem melodiösen Power Metal aber nicht mein Fall sind und mir somit eine etwas frühere Heimreise ermöglichten. An dieser Stelle ein großer Dank an die Veranstalter, die jedes Jahr aufs Neue ein illustres Billing auf die Beine stellen, das für jeden metallischen Geschmack etwas zu bieten hat und sowohl alten Recken wie DARKNESS, ROOT und VORTEX als auch jungen Gruppen wie HELLRIPPER, FURIES und PREDICTION – um nur einige zu nennen – ein Forum bietet. Somit stellt das Taunus Metal Festival alljährlich eine musikalische Überraschungstüte dar, die sich in angenehmer Atmosphäre, mit vielen netten Leuten und kultigen Acts darbietet. Ich freue mich bereits jetzt auf 2020!
Link: https://www.taunus-metal.de/, http://www.furiesofficial.com/, http://www.lyraslegacy.de, https://satansfall.bandcamp.com, https://hellripper.bandcamp.com, http://rootan.net, https://www.facebook.com/VortexHeavyMetal
Text: Marcus
Fotos & Clips: Eric, https://www.flickr.com/photos/vanreem
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