THE BRIEFS & LES HYPER GAELLE

Au, Frankfurt, 20.07.2019

The BriefsIch weiß noch ziemlich genau, was mir durch den Kopf ging, als ich die aus Seattle stammenden THE BRIEFS vor mehr als 13 Jahren, im Februar 2006, in der Frankfurter Au das erste Mal sah: Was waren das denn für abgedrehte Typen, die da mit ihren albernen Sonnenbrillen, schnieken Oberhemden, superschmalen Krawatten und irrem Blick auf der Bühne rumhüpften, als seien sie vom wilden Affen gebissen? Es war eine sensationelle Show damals und eine innere Stimme befahl mir, sofort den Merchtisch anzusteuern und alles aufzukaufen, was es zu erwerben gab. Leider kamen die Jungs, die seinerzeit bei jedem ihrer Auftritte die Fans des melodiös-poppigen Punks begeisterten, danach nicht wieder. Ab Ende 2007 wurde es ruhig um die Formation, das Ding war erstmal durch.

Einzelne Mitglieder schlossen sich anderen Bands an oder gründeten neue. Zum Beispiel die CUTE LEPERS, die u. a. mit dem Ex-BRIEFS-Frontmann Steve E. Nix sowie dem Bassisten Kicks noch einige Male in der Au zu sehen waren: 2008, 2009 und beim traditionellen Sommerfest 2011. In den vergangenen The BriefsJahren gab es zwar immer mal wieder vereinzelte Gigs der BRIEFS, aber erst Ende 2018 startete das Quartett mit einer zehntägigen Europa-Tournee erneut durch. Außerdem wurde ein neues Album angekündigt: „Platinum Rats“ kam im Frühling in die Läden und wurde im Juli auch in Europa im Rahmen einer gut zweiwöchigen, zehn Stopps umfassenden Tour durch Holland, Belgien und Deutschland vorgestellt (darunter die Festivals Ruhrpott Rodeo und Back to Future). Gestern schlugen die Buben zum Abschluss ihrer Rundreise in Frankfurt auf, wiederum in der Au.

The BriefsUnd das just an einem Tag, an dem es durch Auftritte der kanadischen Psychobillys THE BRAINS im Dreikönigskeller und der Lokalband DE VON AUSFERNS in der beliebten Szenekneipe Feinstaub noch ordentlich Konkurrenz auf den Bühnen unseres Städtchens gab. Sollte sich das negativ auf die Publikumsresonanz auswirken? Kennt heute überhaupt noch jemand THE BRIEFS und ihre überragenden (Früh-)Werke wie z. B. „Hit After Hit“ (aufgenommen 2000 kurz nach der Gründung), „Off the Charts“ (2003) und „Steal Yer Heart (2005)? Die Befürchtungen blieben aber unbegründet, denn der Andrang an einem schönen Sommerabend war groß und führte letztlich zu einem fast ausverkauften Haus.

The BriefsNeben den eingangs erwähnten Steve E. Nix und Kicks sollten Daniel J. Travanti an der Gitarre und Chris Brief am Schlagzeug (auch beide schon beim Debüt-Album dabei) das Lineup der Formation für die aktuelle Tour komplettieren. Doch leider ließen die amerikanischen Grenzbehörden diesen Plan platzen: Wie ich nach dem Gig von der Combo erfuhr, durfte Kicks als gebürtiger Kanadier nicht aus den The BriefsVereinigten Staaten ausreisen, weil er nicht über einen legalen Aufenthalts-Status in den USA verfügte. Dumm gelaufen. Seinen Platz nahm Pascal Briggs ein, der ja hierzulande sowohl durch seine Solo-Auftritte als auch durch zahlreiche Kollaborationen (mit Zander Schloss, Duane Peters, u. a.) ebenfalls kein Unbekannter ist und seinen Wohnsitz zurzeit in Bochum hat.

Mitgebracht hatten die drei Original-BRIEFS neben Briggs und dem neuen Album eine Setlist mit 24 Songs. Das klingt erstmal viel, allerdings sind die wenigsten Stücke deutlich länger als zwei Minuten – die Truppe mag es kurz und knackig, „brief“ eben. Ein bisschen Konversation mit dem Publikum sowie den Auftritt eines „Gaststars“, auf den ich gleich noch zu sprechen komme, eingerechnet, sollte sich eine Spielzeit von rund einer Stunde ergeben (was angesichts der subtropischen Temperaturen im knallengen Rödelheimer Club auch völlig ausreichend war).

The BriefsOpener der Show war nach einem Intro der Track „Stuck On You“ von „Steal Yer Heart“, nach zwei weiteren Stücken folgte ein Block mit drei Liedern („Rotten Love“, „I‘m a Raccoon“, „Sylvia“), die sich genau in dieser Reihenfolge auf dem ersten Album „Hit After Hit“ (Name ist Programm) befinden. Von diesem stammten nicht weniger als zehn der gestern präsentierten Songs, das neue Werk wurde dagegen nur mit drei Tracks bedacht. The BriefsDer Rest verteilte sich auf alle anderen Releases der Combo gleichermaßen. Ein prima „Best of“ der insgesamt fünf Studio-LPs sowie gut ein Dutzend Singles also, aus dem für mich noch die beiden Sücke „(I Think) My Baby is a Communist“ und „Poor and Weird“ herausragten. Außerdem befand sich mit „The Todd Killings“ von den ANGRY SAMOANS ein schönes Cover im Set.

Gegen Ende des Gigs wurde für eine Nummer ein Gastsänger auf die Bühne gebeten, den wohl kaum jemand auf dem Schirm hatte: Es handelte sich um Marc Ader von DISTRICT, die um die Jahrtausendwende einige Platten u. a. The Briefsauf dem Punk- und Psychobilly-Label „I Used to Fuck People Like You in Prison“ (kurz: PLY) herausbrachten. Auch damals bei DISTRICT am Start: Pascal Briggs. Und so wurde dann wieder ein Schuh draus: Der ebenfalls in Bochum lebende Ader war von seinem Kumpel Briggs eingeladen worden, bei einigen Shows der Tour dabei zu sein und am Mikro Kostproben seines Könnens zu geben.

Wie war der Auftritt denn nun im Vergleich zu dem von vor 13 Jahren? Definiv out sind inzwischen die Krawatten (es war auch zu heiß dafür) und die Oberhemden (nur Mr. Nix trug eines). Nach wie vor in ist das Accessoire Sonnenbrille, das – zumindest zu Beginn – außer Schlagzeuger Chris alle Bandmitglieder zierte. Musikalisch nahm sich die Show nichts mit der von The BriefsAnno Tobak – das Ganze war eine verdammte feucht-fröhliche Pogo-Sauna-Party, die die meisten Besucher ohne einen trockenen Faden am Leib zurückließ. Nach einem Hang-Out mit Freunden und Bekannten an der frischen Luft in der „Furcht-Bar“ der Au gab es nach Ankunft in der heimischen Wohnung nur noch ein To-Do: Kühlendes Duschen um Vier Uhr morgens.

Setlist: Intro / Stuck On You / My Baby is a Communist / Ain‘ It The Truth / Rotten Love / I‘m a Raccoon / Sylvia / New Case / Year Long Summer / We Americans / Shoplifting at Macy‘s / She‘s the Rat / Destroy the USA / Antisocial / Kids Laugh at You / Where Did He Go? / Killed By Ants / The Todd Killings / Silver Bullet / Dumb City / Run the Other Way / New Shoes / District / Poor & Weird

Vor dem Headliner des Abends stimmte die lokale Band LES HYPER GAELLE auf das zu erwartende Spektakel ein. Wem die Jungs bekannt vorkommen sollten: Das Trio speist sich aus Personal der schon ein paar Jahre länger existierenden Formation LES FANATIQUES (wir berichteten 2016 und 2013). Während Letztere sich Les Hyper Gaëlleausschließlich auf die Interpretation der Songs der französischen Kultgruppe LES SHERIFF spezialisiert haben, sind bei LES HYPER GAELLE allerdings Eigenkompositionen gefragt. Gesungen wird nach wie vor Französisch.

Obwohl die Truppe schon einige Auftritte im Rhein/Main-Gebiet absolviert hat, ist sie mir bisher immer durch die Lappen gegangen. Es stellte sich heraus: Ich habe etwas verpasst. Denn auch der Punkrock von LES HYPER GAELLE lässt in puncto Tempo, Songwriting und Bühnenpräsenz nichts zu wünschen übrig. Inzwischen hat die Combo ihren ersten Langspieler „Avec Hyper Speed“ mit acht Tracks fertiggestellt, der am Rande des Auftritts auf MC (ist ja wieder im Kommen) erworben werden konnte.

Les Hyper GaëlleFür all diejenigen Gäste, die vielleicht nicht so genau wussten, wer da vor ihnen stand, leistete die Gruppe ein wenig Nachhilfe: Die Jungs hatten, entsprechend ihrer Position links, in der Mitte und rechts auf dem Podest, die Worte „Les“, „Hyper“ und „Gaëlle“ in Buchstaben auf ihre ärmellosen Shirts geklebt. Lustige Idee. Die Halbwertszeit war aber eher gering, denn sie fielen bei den schnellen Bewegungen schon bald von den Les Hyper Gaëlleschweißnassen Textilien. Man sollte sich den Bandnamen allerdings einprägen, denn prinzipiell gilt: Wer LES FANATIQUES mag, wird auch LES HYPER GAELLE mögen.

Ich werde jedenfalls künftig Augen und Ohren offenhalten, wo man die LHG live erleben kann. Als nächstes steht jedoch erstmal ein Gig von LES FANATIQUES an, die nach einer eineinhalbjährigen Auftrittspause Ende kommenden Monats auf der Feinstaub-Bühne des Museumsuferfestes wieder zu sehen sein werden.

Links: https://de-de.facebook.com/LesHyperGaelle/, https://leshypergaelle.bandcamp.com/, http://www.thebriefsofficial.com/, https://www.facebook.com/TheBriefs, https://myspace.com/thebriefs, https://www.instagram.com/thebriefs/, https://www.last.fm/music/The+Briefs

Text, Fotos (3) & Clips: Stefan
Fotos (27): Todde Sindel, https://www.flickr.com/photos/12633166

Alle Bilder:

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