Dreikönigskeller, Frankfurt, 16.04.2019
Wenn ich mich in dieser schnelllebigen Welt auf etwas verlassen kann, dann darauf, dass die von den Frankfurter Konzertbookern Face Slap Concerts veranstalteten Events meinen musikalischen Geschmack treffen. Im gestern maritim-blau illuminierten Dreikönigskeller standen, diesmal organisiert von Face Slap in Kooperation mit SCHEISSE MINNELLI-Mastermind Samuel el Action, zwei Punkrock-Acts aus der kalifornischen Bay Area auf dem Programm: THE PATHOGENS (zu deutsch: Die Krankheitserreger) mit Support der mir ebenfalls unbekannten THE WHOOSIE WHAT‘S IT‘S. Auf dem Flyer abgebildet: Ein Mann mit Ganzkörper-Schutzanzug und Sauerstoffmaske. Na, das konnte ja was werden.
Als Opener des Abends fungierte das Quartett mit dem seltsamen Namen THE WHOOSIE WHAT‘S IT‘S, das eine Affinität zu Eulen (engl.: Owls) zu haben scheint. Die Mitglieder Nettie Kaboom alias Owl B. Damned (Gesang und Gitarre), Ben alias Owlcoholic (Gitarre), Tom alias Owl Davis (Bass) und Hal alias Owlitosis (Schlagzeug) haben sich kuriose Eulen-Spitznamen gegeben. Die Bandcamp-Präsenz ziert ein großes Eulenfoto, darüber hinaus trägt der noch aktuelle, 2017 veröffentlichte Tonträger den Titel „Owl Systems Go!“. Was es mit dem Eulen-Fetisch auf sich hat, vermochte ich nicht zu ergründen – es mag ein wohl gehütetes Geheimnis sein, denn die Combo
antwortet auf diese vermutlich häufiger gestellte Frage in ihrer Bandinfo lakonisch mit „Brother, WHY THE HELL NOT!“.
Die Musik der Formation ist laut deren Facebook-Seite neben dem klassischen kalifornischen Punk beeinflusst vom Rock ’n‘ Roll der Fünfziger und vom Garage Rock der Sechziger. Und so hört sie sich auch an. Schön schrammelig, das Ganze. Die Truppe aus San Francisco, die sich selbst als „a buncha goodtime-lovin’ ding-dongs“ bezeichnet, machte außerdem dadurch Laune, dass die Musiker auf der Bühne noch mehr Spaß zu haben schienen als das Publikum vor ihnen und das ansteckend wirkte: Der groß gewachsene Gitarrist Ben musste ständig aufpassen, sich nicht den Kopf an der Decke zu stoßen, was ihn selbst am meisten zu belustigen schien. Mich amüsierte indes sein T-Shirt, auf dem „Sorry about our president!“ sowie die Übersetzung dieser Zeile in 15 verschiedenen Sprachen zu lesen war. Und als Drummer Hal nach einem Lied, in dem Frontröhre Nettie bei langgezogenen Schreien das allerletzte aus ihrer Stimme herausholte, voller Stolz auf Deutsch mit amerikanischem Akzent „Das ist meeiiin Mädschen!“ ins Mikro rief, da hatten die „WHOOSIES“ den Highscore an Sympathiepunkten erreicht. Eine kurzweilige Show, die beim Publikum auch schon recht gut zündete. Der eigentliche Böller sollte aber danach noch kommen: THE PATHOGENS.
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Die PATHOGENS aus Oakland absolvieren derzeit ihre „European Viral Outbreak Tour“, die sie neben einigen Gigs in Deutschland auch noch nach Belgien und England führen wird. Pünktlich zur musikalischen Rundreise fertig geworden ist das Debüt-Album mit dem treffenden Titel „We‘re Catchy!“, auf dem in 30 Minuten Spielzeit 14 Songs runtergebrettert werden: Alle Tracks also im Mittel zwei Minuten lang, „short, snappy and to the point“, so wie Punk sein muss. Chance für Langeweile: Gleich Null. Zumal das Sextett sich einiges hat einfallen lassen, um sich in der Breite der konkurrierenden Combos Alleinstellungsmerkmale zu erarbeiten. Das beginnt schon bei der Besetzung: Zweifacher Gesang, weiblich und männlich, beide Sänger*innen sowohl mit markanten Stimmen als auch mit hervorragenden Frontfrau-, bzw. Frontmann-Qualitäten ausgestattet.
Am Mikrofon steht zum einen Cinder Block, die Punkrock- und Hardcore-Fans durch ihre Engagements bei TILT, der All-Girl-Formation FABULOUS DISASTER oder bei RETCHING RED ein Begriff sein könnte. Kongenialer Gesangspartner der inzwischen 57-Jährigen ist der aus Philadelphia stammende Jesse Luscious, der nach seiner Übersiedlung an die Westküste der USA bei THE CRIMINALS, BLATZ und THE FRISK tätig war und außerdem in verantwortlicher Position für das Label Alternative Tentacles arbeitet. Auf der ohnehin für sechs Personen räumlich knapp bemessenen Bühne des Dreikönigskellers hielt es Luscious (genauso wie seine Mitstreiterin) nicht lange, die meiste Zeit des Auftritts war
der umtriebige Shouter „unten“ auf Augenhöhe oder mitten im Publikum zu finden, animierte die Gäste im zu zwei Dritteln gefüllten Etablissement zum Mitsingen und zum Tanzen.
Als etwa zur Hälfte des Sets auf dem Podest eine Flasche zu Bruch ging und sich eine große Pfütze auf der linken Bühnenseite gebildet hatte, verliess Gitarrist Sebastian Stuart ebenfalls seinen angestammten Platz. Auch er spielte im Zuschauerraum weiter, sodass man nunmehr die Hälfte der Band vor der Nase – die übrigen PATHOGENS-Mitglieder Markley Hart (Schlagzeug), Noah Weber (Gitarre) und Jovino Bunny (Bass) verblieben im lediglich von Schweißperlen gezeichneten Bereich – und die anderen Musiker direkt neben sich hatte. Mittendrin statt nur dabei, näher dran geht nicht.
Auch musikalisch ist im Programm der PATHOGENS für Abwechslung gesorgt: Punkrock-Brecher wie „Eleven Pints“, „High and Dry“ und „Anti-Destination League“ schlagen den Bogen zu von Rockabilly beeinflussten Songs wie „Rat Dad“, diverse Tracks wie u. a. „Johnny Hit and Run Jenny“ bestechen durch Singalongs und schöne Melodien. „Catchy“ eben. Und tanzbar – für all diejenigen, die an einem Dienstag Abend den Hintern hoch und die Fußsohlen in Schwung bekamen. Das waren zwar nicht sehr viele, aber dadurch, dass sich ja einige der Musiker ständig im Zuschauerraum tummelten, war trotzdem immer Bewegung im schummrigen Kellerclub.
Nach dem Auftritt konnte noch die neue Platte als US-Import am Merchstand erworben werden: Das lustige Artwork, das die Bandmitglieder als cartoonartig gezeichnete Viren darstellt, stammt aus der Feder von PATHOGENS-Bassist Jovino Bunny. Die LP der WHOOSIES wurde zum Lummerpreis von nur fünf Euro angeboten, viele Käufer nahmen unter diesen Umständen gleich beide Scheiben mit. Ein feiner Abend im DKK mit einem Punkrock-Package, das ich mir gern wieder ansehen werde.
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Links: https://de-de.facebook.com/whoosiewhatsits/, https://whoosiewhatsits.bandcamp.com/, https://de-de.facebook.com/thepathogens/, https://www.reverbnation.com/thepathogens1, https://thepathogens1.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/The+Pathogens
Text: Stefan / Fotos: Kai
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