THUNDERMOTHER & SNAKEBITE

Nachtleben, Frankfurt, 16.11.2016

ThundermotherBöser Mann, ich. Dabei weiß ich ganz genau, dass der erste Eindruck nicht dazu dienen sollte, jemanden gleich zu beurteilen. Ist menschlich, klar, aber wie oft schon muss man sich doch wundern, weil man gnadenlos falsch lag. Mein erster Eindruck, als ich überpünktlich im Frankfurter Nachtleben stand (um an der Abendkasse noch ein Ticket für das später ausverkaufte Konzert der Rock-Ladies von THUNDERMOTHER zu erhaschen) und den Bassisten der Vorband SNAKEBITE die Treppe vom Keller hochkommen sah war: Oh je. Wärste vielleicht doch lieber später gekommen, sagte ich zu mir. Wie gemein, sowas zu denken, nur weil die Optik einer Person so etwas wie Flucht-Tendenzen auslöst. Aber: Der Mann sah sehr nach Sleaze aus. Posertum, wie wir Thrasher verächtlich in den 80-ern über die Haarmetal-Fraktion urteilten. Nicht so meins. Stell mir Gestalten mit Corpsepaint auf die Bühne und ich finde das true. Sehe ich Lippenstift, Kajal und toupierte Haare, schwätz ich was vom „Poser“. Kriegste nicht so schnell raus, sowas, trotz Michael Monroe.

Da man ja manchmal lernfähig ist, stand ich also rechtzeitig zum Beginn der Show am Bühnenrand und blickte auf das SNAKEBITE-Logo. Fragte mich, ob das ’ne WHITESNAKE-Coverband ist, am End‘. Coverbands finde ich auch SnakebiteScheiße. Den Platz verließ ich im Laufe des Abends auch nicht mehr, trotz baldigem Biermangels, denn es wurde später richtig voll. Bei den Youngstern aus Gießen, Essen und sonstwoher war das noch nicht der Fall, als sie loslegten – und ich bemerkte, dass sie das mehr als ansprechend taten.


Kurioserweise grenzen sich SNAKEBITE auf ihrem Presseblatt deutlich von Sleaze- und Glamourbands ab – erheben „No Masquerade!“ zum Motto, neben „No fake shit!“. Sowas. Vielleicht laufen die Kerle ja wirklich so am Samstag zum SnakebiteRewe, was weiß ich. Streicht man die eher unwichtigen Fragen zur Optik blieb jedoch ein mehr als passabel auftretender Verein juveniler Rock-Addicts, die amtlich was los machten mit der seltenen Fähigkeit, großartige Melodien zu zimmern, die nicht 1000x gehört wirken. Die Jungs beschreiben ihre Einflüsse als aus den Siebzigern kommend, nicht so mit Endlos-Soli, aber dem klassischen Party-Hardrock á la KISS oder CHEAP TRICK frönend. Dabei wirkten sie (vor allem Frontmann „Nikki“ Wagner) sympathisch, enthusiastisch, begeistert und begeisternd. Der Laune der Akteure konnte man sich nicht entziehen, selbst wenn man das doof finden wollte – keine Chance.

SnakebiteCoole Songs, sehr geile Gitarren- Arbeit (auch auf der akustischen, die so auf einem Ständer geschnallt war, dass Chris Van Kough sie abwechselnd im gleichen Stück wie die elektrische spielen konnte) und eine überzeugende Live-Performance ebneten den Weg für die folgenden Headliner, die das so ähnlich machten, aber mit noch mehr Eiern und „Spaß inne Backen“, wie ein Kollege kürzlich hier formulierte.

SnakebiteDass „Nikki“ Wagner die Nachtleben- Crowd gerne zu einem demnächst folgenden Headliner-Gig mitnehmen wollte war mehr als nachvollziehbar, dass er allerdings Koblenz als Möglichkeit anbot und den einen Tag später stattfindenden Darmstadt-Gig verschwieg, zeugte jedoch von leichtem Größenwahn oder mangelnden Heimatkunde-Kenntnissen. War schon echt gut, aber Koblenz? Wollen wir mal nicht übertreiben.

Wenn jemand aber gesagt hätte: „Morgen nochmal THUNDERMOTHER in Koblenz?“, oder gar in Saarbrücken, München oder Berlin, dann hätte man sich darauf schon eher einigen können.Was für ein Fest. Die Mädels aus Schweden (Leadgitarristin Filippa Nässil gründete das Quintett wohl, Gitarrenkollegin ThundermotherGiorgia Carteri als zweite im Bunde kommt ursprünglich aus Italien, gehört aber mittlerweile, laut Facebook, fest zur Stockholmer Szene) mit Vokalistin aus Irland (Clare Cunningham), die sich ihre Live-Lorbeeren in unseren Breiten vor allem als Opener von D.A.D. verdient haben, zelebrierten einen hochenergetischen Rock’n’Roll, der stark von AC/DC geprägt ist, allerdings genug eigene Nuancen einpflegt um originär zu sein.

Von Joel o’Keffe (AIRBOURNE) geistert das Zitat durchs Netz, dass es heute nur noch „drei großartige Bands gibt: BULLET, THUNDERMOTHER und AIRBOURNE“. Mit einer puristischen Sichtweise ist das nachvollziehbar. Kurioserweise spielten AIRBOURNE sechs Tage vor THUNDERMOTHER in ThundermotherFrankfurt, und ja: Vom Grad der Ekstase und Energie war das vergleichbar. Auch das wohl obligatorische Bad in der Menge des Gitarristen fand, wenn Nässil den Mob vor der Bühne durchpflügte und mit Luftgitarrenspielern wettbangte, seine Nachahmung bei THUNDERMOTHER. Kalkül? Wtf. Hier wurde so derbe Arsch getreten, dass trotz chronischer Luftknappheit und mangelndem Platz alle nach „Zugabe“ Thundermotherbrüllten, auch Leute jenseits der 40, die den Hauptteil des Publikums stellten. Dass diese Formation noch klein (Nachtleben) und AIRBOURNE groß (Festhalle, wenn auch als special guest) erscheinen, wird über kurz oder lang korrigiert werden – viele THUNDERMOTHER-Songs toppen die von AIRBOURNE und mit Cunningham hat die Combo eine Granate am Mikro, deren vokale Ausdrucksmöglichkeiten die o’Keffes locker in den Schatten stellt.

Thundermother

Beide Bands verneigten sich übrigens auch vor Lemmy Kilmister, dessen erster Todestag nicht mehr lange auf sich warten lässt. THUNDERMOTHER widmeten ihm „Deal With The Devil“, dessen Gitarrenpart stark an „Fast“ Eddie Clarke’s ThundermotherSound angelehnt ist. Mit „You Make My Day (Thank You)“ hatte die Truppe auch bereits einen Song im Gepäck, der klar machte, dass Schicht im Schacht war, nach 18 Liedern, hektoliterweise Schweiß sowie blauen Flecken vom Spontanpogo und dem Abwehren desselben. Was für ein Abend. Wegen diverser, fieser Rückkopplungen am Ende mit einem derben Hörschaden am boxennahen linken Ohr, der bei mir den ganzen nächsten Tag anhielt. Macht nichts. Nächstes Mal gerne das andere Ohr.

Links: http://www.snakebite-music.de/, https://www.facebook.com/SnakebiteTheBand, http://snakebite-music.bandcamp.com/, http://www.last.fm/music/Snakebite/, http://www.thundermother.com/, https://www.facebook.com/thundermother/, http://www.last.fm/de/music/Thundermother

Text, Fotos & Clips: Micha

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2 Comments

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2 Responses to THUNDERMOTHER & SNAKEBITE

  1. Melina Di Febo

    Geiler Artikel! Fast die Stimmung des Abend perfekt zusammen!
    Nur eine kleine Anmerkung: Der Snakebite Gitarrist ist seit über einem Jahr nicht mehr Martin Gerloff sonder Chris Van Kough 😉
    LG

  2. Micha

    Danke für den Hinweis. Wir korrigieren das gerne. Gruß, micha