Elfer Music Club, Frankfurt, 25.10.2014
Wenn eine Band wie TOXOPLASMA sich ein Stelldichein in Frankfurt gibt, dann ist man naturgemäß nicht der Einzige, der das mitbekommt und sich den Auftritt nicht entgehen lassen möchte. Folgerichtig kam der Elfer am gestrigen Abend an seine Kapazitätsgrenze und ich habe den Laden, seit er vor gut einem Jahr in die Klappergasse umgezogen ist, noch nie so voll erlebt. Davon profitierte auch der Support, die sympathischen Spaßpunker CAPTAIN CAPGRAS aus Darmstadt, die die Menge schonmal ganz ordentlich anheizten, bevor sie die Bühne nach einem relativ langen Set schließlich doch für die Veteranen von TOXOPLASMA räumten.
Das 1980 gegründete Quartett aus Neuwied nahe Koblenz ist einer der einflussreichsten Vertreter des Punk in Deutschland und bereits ihr erstes, selbstbetiteltes Album von 1983 gehört zum besten, was das Genre hierzulande je hervorgebracht hat. Die Songs der Scheibe bildeten dann auch den Rahmen der Show, die mit „S.O.S“ und „Vakuum“ begann und mit „Polizeistaat“, „1981“ und „Wir warten“ als Zugaben endete. Dazwischen fanden sich sechs weitere Tracks dieses Klassikers in der 30 (!) Songs umfassenden Setlist, sodass das Publikum das Debüt-Release fast komplett zu hören bekam.
Mit Ausnahme des 1991er-Outputs namens „Ausverkauf“, dessen Stücke keine Berücksichtigung fanden, speiste sich das Programm außerdem durch ein schönes „Best of“ von den weiteren vier Longplayern bis hin zum 2013 erschienenen Spätwerk „Köter“. Das Cover dieses Albums, dem ersten seit 19 Jahren, „ziert“ ein Zähne fletschender Vierbeiner, dem man nicht im Dunkeln begegnen möchte. Dahinter steckt sicherlich kein Zufall, die Message liegt auf der Hand: TOXOPLASMA sind mit frischem Material zurück und noch immer so bissig wie eh und je. Das dokumentieren zum einen politische Songs wie „CDU“ (dazu gibt es einen aberwitzigen Videoclip, den man gesehen haben muss, klicke hier). Zum anderen wies es der gestrige Auftritt eindrucksvoll nach.
Sänger Wally Walldorf, neben Bassist Stefan einziges verbliebenes Gründungsmitglied der Band, ist ein hervorragender Frontmann, einer, dem man immer zusehen kann, ohne dass es langweilig wird. Ständig in Bewegung, immer mit einem Pulsschlag nahe der Tachykardie, mit weit vorgebeugtem Oberkörper seine Texte dem Publikum entgegen schleudernd. Stefan dagegen gibt den Ruhepol der Truppe, zupft mit stoischer Gelassenheit seinen Bass, während um ihn herum das Punkrock-Fegefeuer losbricht. Komplettiert wird die aktuelle Besetzung durch Aktivposten Hermann (Ex-BUBONIX) am Schlagzeug und das jüngste Mitglied des Vierers, Sascha an der Gitarre.
Der Kellerkessel brodelte direkt ab dem ersten Song, und das hielt – abgesehen von einer längeren Pause, weil Sascha eine Saite gerissen war – bis zum Ende des Gigs unvermindert an, Dauerpogo und Bierduschen inklusive. Für polarisierende Reaktionen im Zuschauerraum sorgte ein den Frankfurter Szenegängern wohlbekannter Spaßvogel, der auf solcherlei Shows immer irgendwelche Gimmicks mitbringt. Gestern hatte er eine Vuvuzela-ähnliche Tröte (Ihr erinnert Euch, Fußball-WM 2010 in Südafrika? Genau…) im Gepäck. Die meisten fanden’s lustig, die Band nahm’s locker (Wally nutzte im Verlauf des Auftritts den oberen Einlass der Tröte als Trichter, um dem Mann mal ein Bier auf Ex einzuflößen), es gab jedoch auch einige, die zunehmend genervt waren. Aber was solls, auch das ist schließlich Punk…
Gegen Ende der Show rief mir ein Freund begeistert zu: „Gell, da fühlt man sich gleich 20 Jahre jünger!“. Ich bin geneigt, ihm zuzustimmen. Aber der Abend bewies außerdem, was wir eigentlich alle längst wussten, aber mal wieder live bestätigt haben wollten: Dass die Songs von TOXOPLASMA die Qualität haben, Jahrzehnte zu überdauern und damit absolut zeitlos sind.
Setlist: S.O.S. – Vakuum – Zack Zack Zack – Träumer – Der Teufel verdirbt die Jugend – Gut & Böse – Noch mehr Orden – CDU – Deutsch in Kaltland – Bunkerparty – Kontrollautomat – Kastrierte Jugend – Razzia – Pass Dich an – Weltverbesserer – Arschlecker – So oder so – Köter – Leben verboten – Waffenschrank – Plastiktüte – Ordinäre Liebe – Uniform – Asozial – Schwarz Rot Braun / Platz an der Sonne – Ordnung muss sein – Polizeistaat – 1981 – Wir warten
Links: http://www.toxoplasma.de/, http://www.reverbnation.com/toxoplasma, http://www.lastfm.de/music/Toxoplasma
Text & Fotos: Stefan
Alle Bilder: