Nachtleben, Frankfurt, 19.06.2019
Legendenalarm in Frankfurt: Auf der Bühne der größten Halle der Region standen die Southern Rocker LYNYRD SKYNYRD, um sich endgültig von Europa zu verabschieden – während im schnuckeligen, kleinen Nachtleben zeitgleich die sogenannte „Warm Up“- Show einer Formation stattfand, für die der Begriff „Kult“ geradezu erfunden scheint: TRIUMPH OF DEATH. Diese spielt die Songs von HELLHAMMER, der heftigst verehrten Proto-Black Metal-Dampfwalze aus der Schweiz, die fast ausschließlich Demo-Bänder veröffentlichte und die 1984 nach nur zwei Jahren das Zeitliche segnete. Um dann in die ebenso kultigen CELTIC FROST zu münden. Und das Ganze unter Mitwirkung des Masterminds beider Combos, der inzwischen das famose Projekt TRIPTYKON leitet: Thomas Gabriel Fischer aka Tom G. Warrior. Oder, wie er sich 1982 bei HELLHAMMER nannte, Satanic Slaughter.
Einen Interessenskonflikt scheint es da, trotz beiderseitig respektabler Lebensleistung, nicht zu geben, oder? Das Live-Debüt von TRIUMPH OF DEATH machte sich das „Warm Up“ der Show doppeldeutig zu eigen: „Ausverkauft!!“ hieß es erwartungsgemäß – und wie der Kellerclub an der Konstablerwache bei etwa 31 Grad Außentemperatur im Verlauf des Konzerts Kondenswasser produzierte, hatte ebenso etwas Legendäres. Ob es in der Festhalle ein ähnliches Phänomen gab an diesem Abend?
Doch bevor es zur Götterdämmerung kommen sollte, wurden weitaus kleinere Brötchen gebacken: KETZER aus NRW durften noch ran. Eine Band, die auch den Rockstage-Chronisten einst glücklich stimmte (Bericht hier), von dem anwesenden Haufen Ü50-Metaller jedoch größtenteils ignoriert wurde. Verdient? Wie man’s nimmt.
Gibt es Freunde aller vier bisher veröffentlichten Alben von KETZER? Weniger. Das Debüt „Satan’s Boundaries Unchained“ (2009) ist ein abartiges Brett, eine Killerscheibe, die Axt. Knietief in der Tradition stehend der schwarzmetallischen Innovatoren im Thrash, mit Pseudonymen versehen, die dieser Tradition Tribut zollen: Kein Wunder, dass Tom Warrior die kürzlich noch mit SLAEGT tourende Gang als Anheizer (ha) verpflichtete. Einen Tag später, bei der zweiten und letzten Warm Up-Show in Essen vor den Sommer-Open Airs, wird VALBORG diese Ehre zuteil werden, die mit Warriors Lob schon auf ihrer Bandcamp-Seite hausieren gehen.
Album Nummer zwei, „Endzeit Metropolis“ (2012), verfolgt weiter den eingeschlagenen Weg, addiert jedoch schon rock’n’rolligere Gitarrenteile. Doch dann, Hilfe: Album Nummer drei, „Starless“ (2016) zeigt etwas Furchterregendes: KETZER haben sich tatsächlich weiter entwickelt, ja sind die noch zu retten? Post-Rock sowie Prog-Anteile im Gerumpel, welche die Songs unterscheidbarer machen vom Rest des Œuvres. Na, wenn das mal nicht Grund genug war, im Café des Clubs noch ein bisschen die Gelenke zu schonen.
Dabei zieht Album Nummer vier, „Cloud Collider“ (2019) das Tempo wieder an, nicht ohne die erworbene Differenzierung im Sound letztendlich beizubehalten. Den U-Fünfzigern im Nachtleben gefiel’s, auch den Novizen, die KETZER noch nicht kannten. Schwer vorstellbar, wie das auch anders hätte laufen können bei den knapp 45 Minuten Vollbedienung, an der sich nur Metaller stören können, die auch als Mode-Polizisten fungieren und zum Beispiel mit dem Outfit des Sängers Infernal Destroyer ihre Probleme haben. Diese Narren. Das war zwar nur eine Einstimmung auf die Ekstase, die noch kommen sollte, aber eine äußerst gelungene. KETZER eröffnen im Juli vor TRIBULATION in Mannheim – ich freue mich jetzt nicht nur wegen des Headliners darauf.
Wenn ein Opener im Nachtleben seinen Gig beendet hat, ist es – besonders bei wärmeren Temperaturen – üblich, dass alle Besucher fluchtartig den Keller verlassen und ins Café oder an die frische Luft drängen. Doch dem war diesmal nicht so. Zumindest ein harter Kern von Die-Hard-Fans wich nicht vom Fleck, um sich bereits während der Umbaupause einen Platz direkt vor der Bühne zu sichern, um Sänger und Gitarrist Tom G. Warrior hautnah erleben zu können. Der ist indes weit mehr als „nur“ ein Gitarrist und Sänger – Tom ist ein Visionär, ein Schöpfer, einer, der das Black Metal-Genre mit erfunden und geprägt hat. Und wer schon mal ein Interview mit dem Schweizer gelesen oder geführt hat, der weiß, dass er ein besonderer Mensch ist, der im Leben viel mitgemacht hat und seine Bands (HELLHAMMER, CELTIC FROST, TRIPTYKON und TRIUMPH OF DEATH) nicht in erster Linie aus Spaß oder finanzieller Berechnung betreibt, sondern aus Passion und nicht zuletzt auch als Katharsis.
Ich weiß noch genau, wie ich im März 1984 die HELLHAMMER-EP „Apocalyptic Raids“ im Plattenladen meines Vertrauens erworben habe. Zuvor waren in den Jahren 1981 und 82 die ersten beiden Alben von VENOM erschienen, 1982 folgte die erste MERCYFUL FATE-EP und 1983 SLAYERs Debüt „Show No Mercy“. Dies waren bis zu diesem Zeitpunkt die einzigen Gruppen, die mit extremen Outfits, satanischen Texten und Musik aufwarteten, die direkt aus der Hölle zu kommen schien. Auf das Mini-Album von HELLHAMMER wurde ich durch das finstere – von Tom selbst gezeichnete – Cover-Artwork aufmerksam, das einen (un)toten, von Pfeilen durchbohrten Teufel auf einem Thron sitzend zeigt. Noch interessanter war das Backcover, das – nicht wie bei den genannten Künstlern – ein Pentagramm, sondern ein eigens für die Band entworfenes Heptagramm zeigte und zudem Fotos der Musiker Satanic Slaughter (Tom Warrior), Slayed Necros (Martin Ain) und Denial Fiend (Bruce Day) präsentierte. Beim Anblick wurde schnell klar, dass HELLHAMMER ihren Black Metal weitaus extremer auslebten als die bisherigen Vertreter des Genres.
Die Texte erschienen weniger profan und die Optik – HELLHAMMER gelten als die Ersten, die Corpse Paint einsetzte – war weitaus furchterregender. Auch musikalisch setzten die Eidgenossen neue Maßstäbe in puncto Brutalität und Finsternis, wobei sie damit ihrer Zeit voraus waren. Die meisten Kritiken waren damals vernichtend und auch wenn sich die Formation zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits wieder aufgelöst hatte, so war es doch für das Nachfolge-Projekt CELTIC FROST, dessen erstes Cover das erwähnte Heptagramm zieren sollte, zu Beginn schwierig, Fuß zu fassen.
Heute ist das Vermächtnis von HELLHAMMER anders zu beurteilen, denn aufgrund der eben erwähnten Punkte stellten die Schweizer für viele nachfolgende Black Metal-Acts eine bedeutende Inspirationsquelle dar. Vermutlich auch für die Schweden BATHORY, die gemeinsam mit VENOM und HELLHAMMER zu den Begründern des Genres zählen, deren Debüt allerdings erst Ende 1984 erschien. Kurzum, mit Tom G. Warrior stand am gestrigen Abend einer der Erfinder des Black Metals auf der Bühne. Dessen eigentliche Band, quasi der Nachfolger von CELTIC FROST, hört auf den Namen TRIPTYKON, veröffentlicht regelmäßig Alben und spielt in großen Hallen. TRIUMPH OF DEATH (zugleich der Name des zweiten HELLHAMMER-Demos und eines Songs) hingegen sind ein Projekt, das sich darauf beschränkt, altes Material von HELLHAMMER darzubieten. Neue Stücke werden TRIUMPH OF DEATH definitiv nicht schreiben – Stand jetzt.
Normalerweise spielt auch Toms HELLHAMMER-Tribute lediglich auf großen Festivals, in diesem Jahr beispielsweise auf dem Hellfest, in Wacken, beim Party.San und auf dem Brutal Assault. Vorab wurden jedoch zwei „Warm up“-Shows in kleinen Clubs bekanntgegeben, von denen die eine – der erste offizielle Auftritt des Quartetts überhaupt – im Nachtleben stattfand und die zweite am Tag darauf in Essen in der wesentlich größeren Zeche Carl. Der gestrige Gig bot daher die einmalige Gelegenheit, Tom mit TRIUMPH OF DEATH erstmals live und zudem in einer winzigen Location zu erleben.
Um sich herum hat Tom drei Mitstreiter geschart, die nicht nur optisch hervorragend ins HELLHAMMER-Konzept passen, sondern sich auch musikalisch als herausragend erweisen sollten. Mit von der Partie waren Mia Wallace (ABATH, NIRYTH, THE TRUE ENDLESS, KIRLIAN CAMERA) am Bass, Michael Zech (SECRETS OF THE MOON, ODEM ARCARUM) an der zweiten Gitarre und Alessandro Commerio (FORGOTTEN TOMB, HIEMS) hinter der Schießbude. Die Spannung kurz vor Beginn war groß und der Schweiß tropfte bereits zu diesem Zeitpunkt von der Decke. Allerdings gilt es zu konstatieren, dass ich schon weitaus vollere Konzerte im Nachtleben erlebt habe, der vom Eingang aus gesehen rechte Bereich war zum Beispiel nicht vollends gefüllt, obgleich der Veranstalter „Ausverkauft!“ gemeldet hatte.
Als die Gladiatoren schließlich die Arena betraten, war das Publikum nicht mehr zu halten, laute „Warrior!“ und „Uhhh!“-Rufe (viele HELLHAMMER-Songs beginnen mit einem solchen Ausruf) begleiteten den Einmarsch des Quartetts. Los ging‘s mit „The Third of the Storms“ und natürlich einem „Uhhh!“ ins Mikro. Im Anschluss brach die Hölle los, die Menge tobte und feierte die Tatsache, dass eine der Ikonen des Genres nur wenige Meter vor ihr auf der Bühne stand. Blickfang war neben Tom die schaurig-schön geschminkte Mia, der man die Rolle der Höllenpriesterin durchaus abnahm. Gespielt wurden 13 Songs, darunter alle vier der 1984er-EP. Die restlichen neun stammten von den drei Demos „Death Fiend“, „Triumph of Death“ und „Satanic Rites“, die alle 1983 erschienen waren.
Es war nicht nur für die Besucher ein Heidenspaß, das Spektakel zu erleben, auch die Musiker hatten sichtlich Freude, in einer so kleinen Location das direkte Feedback des Publikums zu bekommen. Sicherlich gibt es heute Genre-Vertreter, die härter, schneller, extremer und technisch versierter sind – aber HELLHAMMER sind einer der Ursprünge all jener und insofern war es ein besonderes Erlebnis, TRIUMPH OF DEATH in solchem Rahmen zu sehen.
Die Party, die beim Gig ihren Anfang nahm, wurde später noch fortgesetzt: Im Anschluss pilgerten wir in großer Runde, darunter zwei junge Baseler, die extra für das Konzert angereist waren, nach Sachsenhausen und ließen dort den denkwürdigen Abend Revue passieren. Und so erwachte ich am nächsten Morgen begleitet von Kopfschmerzen und einem lauten Pfeifen in den Ohren. Uhhh…
Links: http://www.ketzer-official.de/, https://www.facebook.com/ketzergermany, https://ketzergermany.bandcamp.com/, https://www.last.fm/music/Ketzer, https://de-de.facebook.com/HellhammerTriumphOfDeath/, https://www.last.fm/de/music/Hellhammer+Triumph+Of+Death, http://www.hellhammer.org/, https://www.last.fm/de/music/Hellhammer
Text (Ketzer), Fotos & Clips: Micha
Text (Triumph of Death): Marcus
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