Café Central, Weinheim, 25.10.2016
VENOM – Namensgeber einer ganzen Underground-Musikkultur (Black Metal) sowie, zusammen mit MOTÖRHEAD, die ersten großen Brückenbauer zwischen Heavy Metal und Punkrock. Ihre Alben und Liveshows aus den Achtzigern sind legendär. Doch heutzutage sind es zwei Formationen, die das Erbe der Kulttruppe weiter tragen: VENOM um Bassist und Originalsänger Cronos sowie VENOM INC. mit dem Gitarristen Mantas und dem Schlagzeuger Abaddon. Kult sind beide, letztere aber endlich mal in der Region zusammen mit weiteren vier Bands von vier Kontinenten. Black/Death/Thrash-Multi-Kulti, so hatte das Café Central in Weinheim für den gestrigen Abend geworben. Man hätte auch ein Kessel Buntes in Sachen Metal sagen können.
Erste Band waren die aus Melbourne stammenden DESECRATOR, die um kurz nach halb acht den Reigen mit einem halbstündigen Set eröffneten. Sie sind seit 2008 aktiv, haben bisher zwei EPs und ein Live-Album veröffentlicht und spielen Thrash, der vom Sound her an frühere TESTAMENT, DEATH ANGEL und SACRED REICH erinnert. Insbesondere Gerad Biesboer konnte mit seinem Harris-mäßigen Bassspiel punkten, wobei sein Monitor im Gegensatz zu dem des MAIDEN-Chefs nicht auf volle Pulle gedreht war. Nach dem Gig des sympathischen Vierers
DESECRATOR
erwarb ich vom Sänger und Gitarristen Riley Strong die Compilation „Skulls ‘n‘ Daggers“ für zehn, und die EP „Down to Hell“ als sogenannte „Road Warriors Tour Edition“ für fünf Euro, jeweils im CD-Format. DESECRATOR spielen im November zusammen mit OVERKILL, CROWBAR und SHREDHEAD u. a. in der Frankfurter Batschkapp. Solltet Ihr zu einem der Gigs gehen, dann erscheint auf jeden Fall pünktlich, um DESECRATOR auf keinen Fall zu verpassen!
Als nächstes waren die aus Sao Paulo stammenden NERVOCHAOS an der Reihe. Die Combo existiert seit 1996 und hat bisher sechs Alben herausgebracht. Schlagzeuger Eduardo Lane war seinerzeit Inhaber von Tumba Productions (ehemals Muvuca Records), die die Band von 1997 bis 2013 sponserte. Während des 35-minütigen Auftritts zeigte insbesondere der Sänger und Gitarrist Lauro Nightrealm (links) eine gewisse Wandlungsfähigkeit. Er begann die Show mit Grind/Crust Core-Gesang und ähnelte mit zunehmender Spielzeit immer mehr Glen Benton.
NERVOCHAOS
Musikalisch war es ähnlich: Der an zweiter Stelle gespielte Song „Infernal Words“ erinnerte mich an PRIEST’s Klassiker „You’ve Got Another Thing Comin‘“, bloß mit 45 statt nur 33 Umdrehungen auf dem Plattenteller abgespielt. Später bot NERVOCHAOS Death Metal in Reinkultur. Blickfang der Truppe ist die Gitarristin mit japanischen Wurzeln Cherry Taketani, die regelrecht einem Manga-Comic entsprungen zu sein scheint.
Italienische Metal-Bands sind ja immer so eine Sache, insbesondere wenn sie mit einem Horror-Image um die Ecke kommen, um etwaige musikalische Unzulänglichkeiten zu übertünchen. Die Musiker der in Alessandria in der Region Piemont beheimateten MORTUARY DRAPE – bis auf den Sänger Wildness Perversion sich namentlich alle hinter Initialen versteckend – sind dagegen alle Filigrantechniker auf ihren Instrumenten. Der Gitarrist spielt eine 7-Saiten-Ibanez und der Bassist ein 6-Saiten-Langholz. Von allen fünf am gestrigen Abend auftretenden Formationen hatten MORTUARY DRAPE mit ihrem traditionell gespielten Heavy Metal den besten Sound. Die Band wurde bereits 1986 gegründet und veröffentlichte bislang fünf
MORTUARY DRAPE
Alben. Am 12. November veranstalten MORTUARY DRAPE in ihrer Heimatstadt eine Jubiläums-Show zu ihrem 30-jährigen Bestehen, zu der sie u. a. Erik Danielsson von WATAIN, AC Wild und Andy “Bull” Panigada von BULLDOZER, Aphazel von ANCIENT und Al De Noble von DEATH SS und SECRET SPHERE zwecks gemeinsamer Performance eingeladen haben. Aber auch in Weinheim gab es begeisterte Anhänger, die jeden Ton mitgrölen konnten. Respekt.
VITAL REMAINS? Da war doch mal was? Richtig: DEICIDE-Chef und Oberbeelzebub Glen Benton sang von 2003 bis 2009 in der in Providence im US-Bundesstaat Rhode Island beheimateten Death Metal-Combo. Die gibt es nun auch schon ununterbrochen seit 1988 und hat bisher sechs Alben draußen, das letzte „Icons of Evil“ kam bereits 2007 heraus. Seit geraumer Zeit steht man ohne Plattenvertrag da. Sänger Brian Werner versprach jedoch dem zahlreich erschienenen Publikum ein neues Werk für kommendes Jahr. Während ihres 50-minütigen Gigs boten VITAL REMAINS superschnellen Death Metal wie KATAKLYSM zu
VITAL REMAINS
glorreichen „Serenity in Fire“-Zeiten. Insbesondere das Hyperblast-Drumming des Schlagzeugers verdient ausdrückliche Erwähnung, denn dieser absolvierte hinter seiner Schießbude wahre Höchstleistungen.
VENOM INC. in der Formation Mantas (Gitarre), Abaddon (Drums) und The Demolition Man (Gesang/Bass) sind seit ihrem Auftritt auf dem „Keep It True“ 2015 zurück in der Szene. Ich hatte sie bereits dieses Jahr auf dem „Metal Assault“ in der Würzburger Posthalle gesehen und dort hatte es mir die Band angetan. Im Vergleich dazu empfand ich den Auftritt von VENOM mit Urbassist und -sänger Cronos auf dem „Rock Hard Festival“ 2015 als eher lau. Somit fuhr ich ins Café Central mit einer gewissen Erwartungshaltung und wurde während des 85-minütigen Auftritts (incl. zehn Minuten Zugabe mit den Songs „Black Metal“ und „Countess Bathory“) nicht enttäuscht.
Bereits zu Beginn des Gigs tobte der Mob, eine an die Wand geschmissene Bierflasche, die zersplitterte, verfehlte mich nur knapp. Dafür hatte ein Kumpel etwas abbekommen, was einen leichten Cut an seiner Wange zur Folge hatte,
VENOM INC.
sodass ich gleich an die seligen Erzählungen von der VENOM-Tour mit EXODUS und ATOMKRAFT (von denen der Cronos ersetzende Tony „Demolition Man“ Dolan ursprünglich stammt) im Jahr 1985 denken musste. Damals hatten die Fans angeblich bei „A Lesson in Violence“ am Bühnenrand Bierflaschen zerdeppert und anschließend mit den Fäusten in die Scherben geboxt.
Alle drei Musiker – allen voran Mantas – hatten ordentlich Spaß in den Backen. Was hätte nicht aus dieser Band – die zumindest begrifflich eine Subkultur des Metal erfunden hat – werden können, wenn die Mitglieder zu Beginn ihrer Karriere nicht bei den Dilettanten von Neat Records unterschrieben und ihre großen Egos zumindest etwas zurückgestellt hätten? Aber hätte, hätte, Fahrradkette… jedenfalls besser spät als nie. Und so machte dieser Abend Hunger auf weitere Konzerte von VENOM INC. in hoffentlich naher Zukunft.
Links: http://desecrator.net/, https://www.facebook.com/desecratoraus/, http://www.last.fm/music/Desecrator, http://nervochaos.net/, https://www.facebook.com/NervoChaos, http://www.last.fm/de/music/NervoChaos, http://www.mortuary13drape.com/, https://www.facebook.com/mortuarydrape, http://www.last.fm/de/music/Mortuary+Drape, https://www.facebook.com/Vital-Remains-Official/, http://www.last.fm/de/music/Vital+Remains, http://www.venom-inc.com/, https://www.facebook.com/VenomIncOfficial, http://www.last.fm/music/Venom+Inc
Text: Guido / Fotos & Clips: Micha
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