Au, Frankfurt, 30.03.2024
Das Oi-Genre, in den späten Siebziger Jahren durch Acts wie z. B. SHAM 69, COCK SPARRER und THE BUSINESS begründet und als Mischung aus Pub-Rock, Fußballchören und Punk zu verstehen, feiert derzeit eine weltweite Renaissance. Bands wie ULTRA SECT, THE TAKE, VIOLENT WAY und LOST LEGION aus den USA, THE CLINCH, NÖ CLASS und RUST aus Australien oder THE YOUNG ONES, TYRANT und DENIM aus Europa sind alle aktuelle Formationen, die sich auf die Urväter des Genres beziehen und Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Polizeigewalt und den Wahnsinn des Arbeitsalltags thematisieren. Mit VIOLENT TIMES hat sich vor einem Jahr auch in Frankfurt eine Band formiert, die der genannten Tradition folgt und am gestrigen Abend in der Au die Veröffentlichung ihres Debütalbums „The New Force of Oi“ feierte.
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Die einzelnen Mitglieder sind keine Unbekannten: Gitarrist Slavko war mehrere Jahre bei den STAGE BOTTLES aktiv, Schlagzeuger Dudel schwingt nach wie vor die Schlagstöcke bei SCHEISSE MINNELLI, Bassist Marcel gehörte den MIRROR MONKEYS an, Gitarrist Rupp ist nach wie vor Teil von RUMBLE DELUXE und Shouter Steve dürften die Hardcore-Fans noch aus seiner Zeit bei den Wiesbadenern KICK IT! kennen. Und obgleich alle der genannten Gruppen unterschiedlichen Stilrichtungen zuzuordnen sind, so eint die fünf Jungs doch ihre Liebe zu rauem, dreckigen Oi- und Straßenköter-Punk, die sich aufgrund der geballten Erfahrung der Musiker in einem anspruchsvollen Oi-Sound manifestiert hat.
Der erste Gig von VIOLENT TIMES fand im Mai 2023 an gleicher Stelle statt, seinerzeit eröffnete das Quintett für die Schweizer NASTY RUMOURS und brachte dabei gleich das erste Demo unters Volk. Gestern lag nun das Debütalbum vor und um den Anlass gebührend zu feiern, hatten die Frankfurter zwei befreundete Bands als Special Guests eingeladen. Den Anfang machten die Bielefelder OISTRESS (Foto oben), mit denen VIOLENT TIMES bereits ein halbes Dutzend Mal die Bühne geteilt haben. Das Trio bot traditionellen, geradlinigen Oi mit deutschen Texten, der die gut 220 Besucher schon mal ordentlich in Stimmung brachte. Als zweiter Gast fungierten die Ruhrpottler OPERATION SEMTEX (Foto links), die klassischen Deutschpunk darboten und mit einigen Hits aufwarteten, die das Publikum zum spontanen Mitgrölen veranlassten. Die Stimmung bei und nach den ersten beiden Acts war bereits feucht-fröhlich, sollte aber explodieren, als die Lokalmatadore schließlich das Podest betraten.
Gegenüber dem Auftritt von vor einem Jahr fiel sofort auf, dass die Band viel routinierter wirkte. Dafür haben diverse Gigs nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden gesorgt, bei denen der Fünfer allerlei Erfahrung sammeln konnte. So strotzte die Combo vor Energie und Spielfreude, die sich gleich auf das Publikum übertrug und den Raum in eine wüste Partyoase verwandelte, in der Bierduschen, wildes Pogen und Stagediving zum Programm gehörten.
Geboten wurden alle Songs des Debüts, darunter Kracher wie „The New Force of Oi!“, „Dead in the Head“, „Get Out of My Way!“ und „Skinhead Heartbeat“ sowie mit „Tied Down“ eine Cover-Version des NEGATIVE APPROACH-Klassikers. Zur Feier des Tages spendierte die Band zwischendurch eine Lage Dosenbier und einen „Patronengurt“ mit Underberg, wobei beides binnen kürzester Zeit geleert beziehungsweise in Form von Regen auf die Besucher niederprasselte – tatsächlich habe ich selten einen so gelungenen Partyabend in der Au erlebt. Unterm Strich lässt sich sagen, dass der Albumtitel „The New Force of Oi“ der Combo durchaus gerecht wird und dass unser kleines Städtchen stolz sein kann, wieder mal eine Formation hervorgebracht zu haben, die das Zeug hat, auch international für Furore zu sorgen.
Wer Oi-Punk nicht abgeneigt ist, die hiesige Musikszene unterstützen oder sich schlicht ein Stück punkiges Lokalkolorit nach Hause holen möchte – auf dem Cover der LP ist eine alternative Szenerie am Rathaus Römer sowie das vor der Nazizeit genutzte Frankfurter Leistikow-Stadtwappen zu sehen –, dem sei gesagt, dass die Debütscheibe von VIOLENT TIMES beim deutschen Label Contra Records erschienen ist und dort zum günstigen Kurs in verschiedenen Variationen erworben werden kann. Gemixt und gemastert hat das Album übrigens niemand Geringeres als der New Yorker Produzent Don Fury, der bereits für Acts wie WARZONE, SFA, AGNOSTIC FRONT, YUPPICIDE und GG ALLIN tätig war. Wir freuen uns jetzt schon auf das nächste Treffen mit der „New Force of Oi“!
Links: https://www.facebook.com/ViolentTimesBand/, https://violenttimes.bandcamp.com/, https://www.instagram.com/violenttimesband/
Text: Marcus
Fotos: Boris, http://www.borisschoeppner.de/
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