VOIVOD & PURIFY

Schlachthof, Wiesbaden, 18.08.2016

Voivod„Rrröööaaarrr“. So heißt das zweite, 1986 erschienene Album von VOIVOD, das meinen Einstieg ins ungewöhnliche Universum der Kanadier markierte. Bereits im Jahr 1982 gegründet, haben VOIVOD bis heute eine erstaunliche musikalische Entwicklung durchlebt: Waren bei den ersten beiden Alben („War & Pain“ und „Rrröööaaarrr“) noch die Titel Programm und der Sound von frühen englischen Hardcore-Acts wie DISCHARGE geprägt, veränderte sich der Stil des Quartetts nahezu mit jedem nachfolgenden Werk. Kritiker ordneten die Outputs fortan in Genres wie Progressive-Metal, Spacecore, Cyberthrash, (Post-)Industrial und sogar Indie-Rock ein.

Doch wie VOIVOD auch immer klangen, drei Stilmerkmale blieben stets erhalten: Der Hang zu komplexen, fast jazzartigen Songstrukturen, die kühle, melancholisch-depressive Stimmung der Musik und die fantastischen Cover-Artworks aus der Feder des Schlagzeugers und Grafikdesigners Michael „Away“ Langevin. Die Kreaturen, die Away zeichnet, zeigen meistens das fiktive Wesen Voivod, das einst menschlich war, den Atomkrieg überlebt hat und nach und nach zu einem Aggressor mutiert. Die Artworks stellen – ähnlich wie bei HAWKWIND – mit der Musik ein Gesamtkonzept dar, das stets um neue Kapitel erweitert wird. Meine letzte Live-Begegnung mit der Band fand in den frühen Neunzigern, also vor mehr als 20 Jahren statt, sodass ich gespannt war, ob sich die Kanadier auch 2016 im Schlachthof Wiesbaden noch so brachial präsentieren würden, wie ich sie damals in der Frankfurter Batschkapp erlebt hatte.

PurifyAls Opener fungierte die Formation PURIFY, die zunächst einmal dadurch auffiel, dass Sänger Tobias statt eines regulären Mikrofonständers einen Wischmop in den Händen hielt, an dem sein Mikro befestigt war. Witzig. Als dann auch noch die Ansage kam, dass man in „hessischer Mission“ unterwegs sei (warum eigentlich?), ließ dies auf einen Party-Gig im Stile von INSANITY ALERT schließen. Dem war jedoch nicht so. Die Mainzer zelebrierten ein seriöses Thrash-Feuerwerk, das, sofern ich es anhand der Songtitel beurteilen konnte, textlich nicht unbedingt auf Comedy ausgelegt war, sondern sich in den üblichen Trash-Klischees erging.

PurifyDas Ganze wurde schnell, wuchtig, auf den Punkt gespielt und von Vocals begleitet, die man eher dem Death-Metal zuordnen würde, war aber alles in allem recht kurzweilig. Der positive musikalische Eindruck wurde jedoch stark durch die Interaktionen der Bandmitglieder geschmälert, die hauptsächlich darin bestanden, sich gegenseitig als „Drecksau“ und „Arschloch“ zu beschimpfen. Sprüche wie „Unser Drummer ist ein Flüchtling, der kriegt eh nix geregelt!“, ließen den Fremdschämfaktor noch weiter steigen. Mag sein, dass man dies im Dorf, aus dem die Jungs stammen, als Humor erachtet, mir und vielen anderen Besuchern ging das dumme Gelaber jedenfalls ziemlich auf den Zeiger.

Umso größer war die Freude, als endlich VOIVOD die Bühne betraten und den Gig mit „Ripping Headaches“ vom eingangs erwähnten „Rrröööaaarrr“-Album eröffneten. Schnell war klar, dass die Jungs nicht nur Voivodgenauso gut wie damals in der Batschkapp, sondern noch besser waren. Der Live-Sound war perfekt, die Spielfreunde groß und die „neuen“ Mitglieder Chewy (Gitarre) und Rocky (Bass), die den verstorbenen Gitarristen Piggy und den erst vor zwei Jahren ausgestiegenen Basser Blacky ersetzen, ihren Vorgängern ebenbürtig. Auch Drummer und Cover-Gestalter Away und Sänger Snake, die beiden Urgesteine der Kanadier, präsentierten sich in Höchstform – was nicht immer so war.

VoivodShouter Snake hatte die Gruppe aufgrund von Depressionen 1995 verlassen und kehrte erst 2002 zu VOIVOD zurück. Davon war dem 52-Jährigen gestern nichts anzumerken, im Gegenteil. Er peitschte das Publikum an und zeigte sich auch stimmlich in Bestform. Die Songauswahl konzentrierte sich überwiegend auf Klassiker der ersten fünf LPs, darunter „Tribal Convictions“, „Killing Technology“ und „Voivod“, hatte jedoch mit „The Prow“ auch ein Stück des Indie-Albums „Angel Rat“ von 1991 und mit „Post Society“ einen Track der jüngsten EP zu bieten. Als letzter Song des offiziellen Sets fungierte die herausragend interpretierte PINK FLOYD-Coverversion „Astronomy Domine“, bevor als VoivodZugabe „Order of the Blackguards“ von der „Killing Technology“- Scheibe den Gig beschloss.

Ich muss zugeben, dass ich VOIVOD nur selten auf CD höre, weil mich die komplexen Songstrukturen und die vielen Breaks ähnlich wie bei NOMEANSNO auf die Dauer doch arg nerven, den Space-Thrash der Kanadier live zu erleben und sich dabei in andere Dimensionen (das vierte Album trägt den Titel „Dimension VoivodHatröss“) entführen zu lassen, machte aber großen Spaß. Bei all der Kreativität und Originalität, die hier an den Tag gelegt wird, ist es letztlich nur schade, dass einer solchen Band der ganz große Durchbruch verwehrt blieb und man vermutlich erst in einigen Dekaden erkennen wird, welch großes Werk hier geschaffen wurde. Auf der anderen Seite bietet es den Fans natürlich die Möglichkeit, VOIVOD auch weiterhin auf relativ kleinen Bühnen erleben zu können. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich übrigens bereits am 18. November 2016, an dem VOIVOD erneut im Kesselhaus des Schlachthofs gastieren, dann begleitet von ENTOMBED A.D. und LORD DYING.

Links: https://www.facebook.com/purifyofficial/, https://www.reverbnation.com/purifygermany, http://www.last.fm/music/Purify/, http://voivod.net/, https://de-de.facebook.com/Voivod/, https://myspace.com/voivod, https://www.reverbnation.com/voivod, http://www.last.fm/de/music/Voivod

Text: Marcus / Fotos & Clips: Micha

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