Steinbruch-Theater, Mühltal, 23.3.2014
WATAIN. Kaum einer Black Metal- Band habe ich, was die Live-Auftritte angeht, so entgegen gefiebert. Die Alben der letzten Jahre sind in meiner Welt ausnahmslos unverzichtbar – erhabene Tonkunst, unfassbar beseelt und vorgetragen mit einer Leidenschaft und Originalität, die ihresgleichen sucht. Und findet. Ein paar Combos mehr gibt es schon, die da mithalten können – Bands, die nicht zwangsweise im selben Genre anzutreffen sind wie WATAIN, aber über ähnlichen „Spirit“ verfügen und auf ihre Art genauso überzeugt und überzeugend sind. Bands z. B. wie die nach einem WATAIN-Song benannten THE DEVIL’S BLOOD um den kürzlich verstorbenen Selim Lemouchi, die den okkulten Anti-Hippie-Rock im Sinne von COVEN und ROKY ERICKSON wieder belebten und etliche Nachahmer fanden. Bands wie die mit WATAIN eng befreundeten Uppsala-Youngster IN SOLITUDE, die eine große Prise Dark Wave in ihren Hardrock integrieren. Bands wie die Genre sprengenden, schwedischen Todesmetaller TRIBULATION. Oder Black Metal-Kollegen wie die irischen PRIMORDIAL um den auch in der britischen Presse geistreich ätzenden Alan „Nemtheanga“ Averill. Querdenker, Individualisten, aber keine egozentrischen Eigenbrötler. Künstler.
Als WATAIN das letzte Mal in Frankfurt (im Nachtleben) auftraten, hatte ich sie erst halb auf dem Schirm und ließ mich sträflicherweise von anderen Aktivitäten ablenken. Als 2013 „The Wild Hunt“ erschien und WATAIN die Cover aller relevanten Metal-Magazine schmückten, war der im Dezember anberaumte Live-Termin in der Batschkapp Pflicht und so gut wie jeder, der sich in meinem Dunstkreis für solche Musik interessiert, erstand ein Ticket.
Warum die Deutschland-Termine dieser Tour (im Gegensatz zu den britischen) am Ende ausfielen entzieht sich meiner Kenntnis – es hätte so ein schöner Abschluss für die im selben Monat umziehende Batschkapp sein können.
Dabei hatten wir im Steinbruch noch Glück, aber dazu später mehr. Pünktlich um halb acht stand erstmal der Opener VENENUM (Foto links) aus Franken auf der Bühne, mir persönlich bisher völlig unbekannt, Szenekennern aber durch ihre 2011 veröffentlichte EP sowie der personellen Schnittmenge mit der kultisch
verehrten Combo EXCORIATE durchaus ein Begriff. Fetter Nebel, Gegenlicht, fieser und brutaler Old School-Death Metal – passte. Einige der mir bekannten Anwesenden, besonders die etwas älteren Herrschaften, kauften nach dem Gig umgehend die EP und waren jetzt schon glücklich, angereist zu sein.Nach einer relativ kurzen Umbauphase kamen die Schweden DEGIAL auf die Bühne, Uppsala-Buddies von WATAIN und trotz ihrer Jugend auf zerstörerischen, angeschwärzten und traditionsbewussten Death Metal-Pfaden – wenn das alles nicht in so einer atemberaubenden Geschwindigkeit passieren
würde, könnte man fast schon von High Speed- Prog sprechen, zumindest ansatzweise. Die Jungs brachen sich fast die Finger bei ihrem Gemetzel, das mir noch schneller und kompakter erschien als kürzlich in Rüsselsheim vor NOCTURNAL (Bericht hier). Sehr viel drin, weswegen mir die Spielzeit subjektiv länger vorkam – es war aber doch nur eine knappe halbe Stunde. Eine vom Feinsten, allerdings.Danach etwas mehr als eine halbe Stunde Umbau – die Bühne wurde größer und offenbarte hinter den abgehängten DEGIAL-Logos ein umgedrehtes Kreuz, obskure, knochige Installationen und so etwas wie einen kleinen Thron über
einer Kiste mit was auch immer darin, vielleicht einer Nebelmaschine oder einer Armada Rauchbomben. Kerzen wurden drapiert, der Security- Mann holte den Feuerlöscher hervor, man weiß ja nie, Sicherheit geht vor. Ich dachte, ich hätte einen guten Platz in Reihe drei – vor mir ein paar Jungspunde mit Smartphone und schwarzen Fingernägeln, neben mir ein paar Metal-Enthusiasten aus Mannheim, die teilweise sogar älter sind als ich und schräg hinter mir mein Kollege von Rockstage Riot; aufgrund seiner Größe perfekt dafür geeignet, mich vom rempelndem Volk abzuschirmen, ich wollte ja schließlich auch noch ein paar Bilder machen.Ich schnupperte zum wiederholten Mal – schließlich hat WATAIN-Mastermind Erik Danielsson im Interview mit dem von mir schmerzlich vermissten, weil unlängst leider geschassten Rock Hard-Guru Götz Kühnemund in der Nummer 316 klar gemacht, dass zu einer optimalen WATAIN-Show stinkendes, verrottetes Blut gehört, das nur „Clubbetreiber in Ostdeutschland“ ertragen, weswegen in anderen Läden meist auf frisches Blut ausgewichen werden muss. In was die Herren vor dem Auftritt baden ist mir ja relativ schnurz, ich will aber nicht, wie Danielsson im optimalen Fall, vor oder während des Konzerts kotzen. Aber die Luft war rein. Noch. Dann, um kurz nach halb zehn, ein markerschütternder Elektro-Rumms, der die Menschen zum Verstummen brachte um sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren.
Die Nebelmaschine lief an, heftigst, es roch nach Weihrauch. Danielsson trug eine Fackel, entzündete die Kerzen, alle fünf Musiker (drei sind der Stamm von
WATAIN, zwei regelmäßige Live- Unterstützer, von denen einer den schwedischen Black/Death-Metallern DISSECTION angehörte, die von Danielsson verehrt werden) sahen aus wie von krankem Pinsel bemalt, aber nicht so peinlich wie die norwegischen Metal-Pandas. „Night Vision“ und „De Profundis“ vom aktuellen Album eröffneten, es folgte mit „Malfeltor“ von der „Lawless Darkness“-LP der erste Oberhammer, das Jung- und Altvolk ging steil, ich inklusive. Es tropfte, mir schwante etwas. Nach einem weiteren aktuellen Song wurde in der Vergangenheit gewühlt, „Puzzles Ov Flesh“ (siehe Clip unten) wurde gegeben von „Casus Luciferi“. Dann hielt Danielsson eine Schale über seinen Kopf und kündigte das nächste Stück an: „This… is the Devil’s Blood“. Flatsch.Meine Kamera war rot statt schwarz. Ich wischte mir über das Gesicht und beschloss, mal den Waschraum aufzusuchen, fürchtete aber, kaum durch das Gedränge zu kommen. Pustekuchen. Die Menge wurde von meinem Anblick geteilt wie das Meer von Moses. Die nächste Viertelstunde war ich im
Waschraum, begleitet von meinem Kollegen, der aufgrund seiner Größe die hinter ihm Stehenden vor der Sauerei beschützt hatte und dessen Kamera schlimmere Schäden erlitt als meine.Was die Jungs bei ihrem „Ritual“ auf der Bühne mit sich so anstellen, ist ihre Sache; auf diese Art und Weise mitzuspielen widert mich, im Gegensatz zum ekstatischen Jungvolk vor der Bühne, aber extrem an. „Die echten Maniacs im Publikum sollen vorne stehen und sich ausleben, die anderen sollen hinten bleiben“ gab Danielsson Kühnemund im Rock Hard zu Protokoll, hätte ich vor dem Konzert vielleicht noch mal lesen sollen. Ich fühlte mich unsanft aus dem Gesamtkunstwerk katapultiert, den Rest des Abends verbrachte ich Bier trinkend am Tresen,
während WATAIN „das Ende von Allem“ zelebrierten und mit „Sworn To The Dark“ noch einen Oberhammer kredenzten.Kann man sowas Ernst nehmen? Meint der das wirklich? Wahrscheinlich schon – die ähnlich gelagerten Selim Lemouchi (THE DEVIL’S BLOOD) und Jon Nödtveidt (DISSECTION) brachten sich konsequenterweise um. Was um den kreativen Output dieser Herren mehr als schade ist. Diese
Weltsicht aber bleibt mir verborgen, da bin ich raus, bei aller nachvollziehbaren Misanthropie. Nennt mich ruhig Hippie-Schwein. Dabei habe ich noch nicht mal rausgefunden, von wem oder was die Soße war, die im weiteren Verlauf noch öfter auf den Mob geschleudert wurde. Trotzdem war ich nach der Show weit davon entfernt, die Band nun weniger zu mögen – bei allen Differenzen erkenne ich nach wie vor ihr kreatives Potential an und muss auch zugeben, selten mehr bewegt aus einer Konzerthalle gekommen zu sein. Das nächste Mal also wieder WATAIN, dann aber von hinten. Mit Schirm.Links: http://www.munenev.com/, http://www.lastfm.de/music/Venenum, http://www.degialofficial.com, https://myspace.com/degialdeathmetal, http://www.lastfm.de/music/Degial, http://www.templeofwatain.com/, https://myspace.com/watainofficial, http://www.lastfm.de/music/Watain
Text, Fotos (14) & Clips: Micha / Fotos (12): Marcus
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