Das Bett (Open Air), Frankfurt, 28.08.2021
Lange ist’s her, dass man ordentlichen Krach live genießen konnte, denn seit der Corona-Pandemie sind Indoor-Konzerte tabu und die meisten Outdoor-Veranstaltungen beschränkten sich – zumindest in Frankfurt – auf Akustik-Gigs. Die sind zwar besser als nichts, lassen aber doch den lauten, wilden Rock-Charakter vermissen, der uns alle begeistert. Das Taunus Metal Festival, das zuvor viele Jahre in der Oberurseler Burgwiesenhalle stattfand, fiel wie viele andere Festivals der Pandemie zum Opfer – und dies bereits zum zweiten Mal in Folge. Umso größer war die Freude, als im Rahmen der Sommerkonzerte im Frankfurter Club „Das Bett“ die zweitägigen Wild Boar Wars III angekündigt wurden, die sich als Taunus-Metal-Spin-off mit weniger Bands verstehen. Das Event fand bereits 2018 im Hofheimer Jazzkeller und 2020 im Oberurseler Café Portstraße statt und feierte nun im Gallusviertel auf dem Parkplatz neben dem „Bett“ seine Premiere.
Foto oben: The Fog
Angesagt hatten sich an den beiden Tagen insgesamt zehn Bands. Aufgrund der Pandemie konnten Tickets lediglich online geordert werden, vor Ort mussten entweder Impfzertifikat, Genesenennachweis oder ein Negativtest vorgezeigt werden. Betreten musste man das Areal mit Maske, die man erst am Tisch ablegen durfte. Vor der Bühne und auf dem Weg zu den Toiletten oder zum Bierstand musste sie indes wieder angelegt werden. All dies war natürlich etwas nervig, doch wenn’s was bringt und man dadurch wieder Konzerte sehen kann, nahm man die Prozedur gern in Kauf. Angeboten wurden lediglich 250 Tickets pro Tag, was verhindern sollte, dass die Besucher allzu gedrängt aufeinander hockten. Die Karten waren schnell weg, sodass recht bald „Sold Out“ vermeldet werden konnte. Auch der Wettergott meinte es gut mit der Metal-Gemeinde, am ersten Tag des Festivals herrschte strahlender Sonnenschein.
Insulter
Los ging’s jeweils um 15 Uhr und für mich leider zu früh, sodass ich den Auftritt der Frankfurter LAWMÄNNER verpasste. Als ersten Act sah ich die aus dem Taunus stammenden INSULTER, die beim Taunus Metal Festival mittlerweile eine Institution darstellen – wir berichteten bereits 2016 und 2019 über die Jungs aus Friedrichsdorf. Seit einigen Jahren vom Quartett zum Trio geschrumpft, präsentierte sich die Band perfekt miteinander harmonierend und äußerst spielfreudig. Der Oldschool-Death-Thrash wurde routiniert dargeboten und klang für mich ein wenig eingängiger als bei den bisherigen Auftritten, die ich gesehen hatte. Mit „Ripper“ und „When Lightning Strikes“ umfasste die Setlist zwei neue Songs und natürlich war auch der Klassiker „Satanic Beer“ vertreten. Insofern: Beide Daumen hoch für INSULTER.
Nach kurzer Umbaupause folgten die Mainzer THE FOG, die sich offensichtlich nach dem gleichnamigen Filmklassiker von John Carpenter benannt haben – zumindest deutete ein Shirt am Merchandise-Stand, auf dem ein altes Schiff zu sehen
The Fog
war, darauf hin. Passend zur Inspiration präsentierte sich der Sound finster und doomig, sodass es ein wenig schade war, dass die Band im hellen Sonnenlicht performen musste und nicht auf einer dunklen und in dichten Nebel gehüllten Bühne. THE FOG zelebrieren langsamen, schleppenden Death Doom, der gelegentlich an die frühen HOODED MENACE erinnerte, bei einigen Tracks wie „Creeping Lunacy“ und „Entropy Pillars“ aber auch in schnellere Gefilde entführte. Bis dato haben die Rheinland-Pfälzer ein Album im Jahr 2016 veröffentlicht, dem 2020 ein Split-Tape zusammen mit VARCOLAK folgte. Schön, dass es mal keine Ansagen des Sängers gab und man den Auftritt nahezu ohne Unterbrechung genießen konnte. Notiz am Rande: Zur Formation gehört auch NOCTURNAL-Gitarrist Avenger, der bei THE FOG aber als Drummer agiert. Unterm Strich ein starker Gig und zudem war’s prima, dass sich auch mal eine Doom-Band ins Taunus-Metal-Lineup verirrte.
Festivalgelände Wild Boar Wars III
Als vorletzter Act des ersten Tages standen die Nürnberger GOATH auf dem Podest, die zunächst einmal ob ihres Sängers und Gitarristen Goathammer optisch einen imposanten Eindruck machten. Dessen Tattoos erstreckten sich bis auf auf sein Haupt und passten somit zum Gesamtkonzept der Band, das ähnlich wie bei THE FOG in finsteren musikalischen und lyrischen Regionen angesiedelt ist. Allerdings
Goath
sind die Bayern mit weitaus höherer Geschwindigkeit unterwegs und bieten eine Mischung aus Death Metal (Instrumentierung) und Black Metal (Gesang), bei der Acts wie die Amerikaner INQUISITION in den Sinn kommen. Das war technisch bemerkenswert und hatte einen fetten Sound, war aber letztlich musikalisch doch etwas generisch. Mir fehlte hier schlicht das Alleinstellungsmerkmal, das die Combo von anderen Formationen unterscheidet, Black-Death-Connaisseure mögen dies anders sehen. Definitiv kontraproduktiv waren die recht lapidaren Ansagen des Sängers, die das ernsthafte Image der Band konterkarierten. Da es musikalisch dennoch ein ordentliches Brett war, recke ich aber auch hier einen Daumen nach oben.
Als Headliner des Festival-Samstags fungierten die Hamburger VELVET VIPER, die exakt vor 30 Jahren gegründet wurden, allerdings zwischen 1993 und 2017 eine kreative Pause einlegten. Seit 2018 sind nun in kurzen Abständen fünf Alben erschienen, darunter auch zwei ältere Klassiker der Vorgänger-Formation ZED YAGO („From Over Yonder“ aus dem Jahr 1988 und „Pilgrimage“ von 1989), die neu abgemischt und mit anderen Cover-Artworks versehen wurden.
Velvet Viper
Beim Namen ZED YAGO dürfte es zumindest bei älteren Metalheads klingeln, fungierte Jutta Weinhold, die großen alte Dame des harten Rocks, doch auch bei dieser Formation als Frontfrau. Jutta ist mittlerweile 73, performt aber noch wie eine 40-Jährige. Wer sich dafür interessiert, was die Rock-Lady früher getrieben hat, der sollte bei YouTube die Begriffe „Jutta Weinhold“ und „Cadillac“ eingeben und findet dort einen Clip von 1974, in dem Ilja Richter in seiner Sendung „Disco“ seinen Gast als „die deutsche Antwort auf Suzi Quatro“ ankündigt. Dass die Dame 47 Jahre später noch immer auf der Bühne steht und sich dabei kaum verändert hat, ist erstaunlich und lässt auf einen Bund mit dem Teufel schließen. Im Laufe ihrer Karriere trat sie im Musical „Hair“ auf, musizierte mit AMON DÜÜL II und Udo Lindenberg und lieh dem Alex-Parche-Projekt BRESLAU ihre Stimme. Mitte der 1980er Jahre entdeckte sie schließlich den Metal für sich, rief ZED YAGO ins Leben und ist nun Sängerin von VELVET VIPER. Musikalisch unterscheidet sich das aktuelle Projekt dabei kaum von der Vorgängerband. Geboten wird pathetischer Power Metal, für den Jutta selbst bereits zu ZED-YAGO-Zeiten den Begriff „Dramatic Metal“ ersann. Tatsächlich umschreibt dies die Musik recht präzise, das Quartett adaptiert in seinen Songs Sagen und Legenden, wobei sich die Themenvielfalt von der Artussage über ägyptische Götter bis hin zur Wagner-Oper „Der fliegende Holländer“ (zu ZED-YAGO-Zeiten) erstreckt. Natürlich fanden sich auch einige ZED-YAGO-Klassiker in der Setlist wieder, darunter der „Black Bone Song“. Auch wenn der pompöse Metal-Sound nicht unbedingt meine Baustelle ist, so gelang es Jutta doch, mit ihrer hingebungsvollen Performance das Publikum in ihren Bann zu ziehen und zu begeistern – ein imposanter Auftritt.
Gegen 21 Uhr endete der erste Tag des dritten Wild Boar Wars Festivals, bis 22 Uhr durften die Besucher noch auf dem Gelände verweilen. Abschließend lässt sich sagen, dass das Lineup gut gewählt war, viel Abwechslung lieferte und es keinerlei Enttäuschungen gab. Wie es am zweiten Tag weiterging, erfahrt Ihr hier.
Links: https://de-de.facebook.com/InsulterGermany, https://insultergermany.bandcamp.com/, https://de-de.facebook.com/thefogdoom/, https://www.instagram.com/into.the.fog/, https://de-de.facebook.com/Goath666/, https://goath.bandcamp.com/, https://velvet-viper.de/, https://www.facebook.com/VelvetViper/
Text & Fotos: Marcus
Alle Bilder:
Mein Review über beide Festivaltage habe ich bereits veröffentlicht und ist hier nachzulesen:
https://forum.deaf-forever.de/index.php?threads/wild-boar-wars-festival-iii-frankfurt-28-29-08-2021.16428/page-3#post-2592138
Beste Grüße
IRON-Guido alias babeliron