WOVENHAND

Zoom, 17.09.2012

Endlich habe ich es auch mal geschafft, das Zoom aufzusuchen. AGNOSTIC FRONT und SEPULTURA, die kürzlich dort gastierten, waren ja eigentlich schon Pflichtveranstaltungen für mich, aber leider ließen sowohl familiäre als auch monetäre Gründe einen Besuch nicht zu. Beide konnten mich gestern abend aber nicht am Erscheinen hindern, auch wenn ich WOVENHAND bereits dreimal gesehen habe. Doch einiges, sowohl den Ort als auch die Band betreffend, war diesmal ungewohnt.

Die Mauern des Sinkkastens (so lautete der Name des Clubs jahrelang bevor und nachdem er Zoom hieß) waren in den 80ern dank Dauerkarten mein Wohnzimmer, später liebgewordene Heimstätte für hauptsächlich auf Blues und Folk basierende Musik. Ausreißer wie die eine oder andere NDW-Combo oder gar Metalhelden wie GIRLSCHOOL 1986 verwiesen schon auf meine später favorisierten Konzertplätze Batschkapp und Negativ, drei- bis fünfmal im Jahr war ich aber immer im Sinkkasten zu Gast. Ich mochte den Laden und ebenso die Auswahl an Biersorten.

Das aktuelle Zoom erinnert optisch und von der Programmauswahl her eher an das schmerzlich vermisste Negativ und ist noch genauso gemütlich wie früher. Licht und Soundanlage machen einen astreinen Eindruck auf mich. Die Auswahl an Biersorten jedoch? Ich weiß, dass Becks aus mir schleierhaften Gründen

selbst in unseren südlichen Breiten ein Konsensbier darstellt, aber solcherlei als einzige Gerstenkaltschale zu kredenzen, grenzt für mich an geschäftssuizidales Thekenverhalten. Es mag ja meiner Berichterstattung unter Umständen sogar entgegen kommen, aber ernsthaft: Ein Clubbesuch trocken oder mit Wasser in der Hand bereitet mir nur ein suboptimales Vergnügen und stellt damit extrem verschärfte Anforderungen an die auftretenden Künstler.

Doch kommen wir zur Hauptsache zurück, dem musikalischen Geschehen. Das begann ungewohnt pünktlich kurz nach 21 Uhr mit Indianergesängen vom Band, schon recht lautstark auf die kommende Combo einstimmend. Obwohl nicht unangenehm überfüllt, waren schon so viele Leute vor der Bühne, dass der Platz am Rand anfangs für Extrembeschallung auf nur ein Ohr

sorgte. Die Größe der Monitorboxen auf der Bühne schränkte das Sichtfeld von der linken und rechten Seite leider außerdem ein; wird ja wohl nötig gewesen sein, was versteh‘ ich schon davon.

Die heftige Lautstärke verdeutlichte während des knapp 90-minütigem Gigs jedoch, dass WOVENHAND im Vergleich zu den letzten Touren und wohl auch Einspielungen extrem rockten, was durchaus zu gefallen wusste, einige lieb gewonnene musikalische Farben aber auch vermissen ließ. Da ich das gerade frisch erschienene Album „The Laughing Stalk“ bisher noch nicht kannte, die Rezensionen jedoch sogar auf eine gewisse Metal-Kompatibilität hinweisen, war das zu erwarten und störte mich auch nicht weiter.

Das Quartett wirkte trotz Personalwechsels gut aufeinander eingespielt und der neue Bassist, der den Job von dem ehemaligen 16 HORSEPOWER-Mitstreiter Pascal Humbert geerbt hat, schien sogar schon jede einzelne Zeile mitzusingen.

WOVENHAND-Boss DEE (David Eugene Edwards) stand (!) an ungewohnter Stelle inmitten seiner Mitmusikanten und strahlte damit weit mehr Rockerdasein aus als auf den Touren zuvor, denen ich beiwohnen durfte. Damals saß er auf einem Schemel am Bühnenrand, das musikalische Zepter wohl uneingeschränkt in der Hand haltend, aber doch immer irgendwie wie ein Solokünstler, der die anderen Gestalten halt braucht, um seine Visionen darzubieten.

Durch den Fokus auf das neue Album erkannte ich nur wenige Songs, weswegen ich mir den Versuch spare, eine Setlist zu erstellen; lade aber dazu ein, eine solche in den Kommentaren beizufügen. Unterm Strich waren WOVENHAND anders als sonst, aber wie immer großartig. Das durch Becks gesparte Geld konnte ich übrigens noch in einen Tonträger investieren. Ein Absacker, um das Konzert noch mal wirken zu lassen, musste dann aber doch sein. Im Binding-ausschenkenden Nachtleben…

Links: http://wovenhandmosaic.com/, http://www.myspace.com/wovenhand, http://www.wovenhand.com/

Text & Fotos: Micha
Clip: am Konzertabend aufgenommen von kickers1901ofc

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