Zoom, Frankfurt, 13.09.2016
Ich hätte hier auch einfach dieses fette, pulsierende WhatsApp-Herzchen hinmalen können – und der erste Teil dieser Konzertbesprechung wäre treffend beschrieben. Also, von meiner Warte aus, zumindest. Dass Emma Ruth Rundle für ihre Label-Kollegen WOVENHAND mit David Eugene Edwards (links) auf dieser Tour eröffnete, war für mich nach den zwei Jahren, in denen ihr Soloalbum „Some Heavy Ocean“ bei mir in Dauerschleife läuft, die Nachricht der Saison. Letztes Jahr tourte die Gitarristin mit dem „ätherischen Gesang“ (Rock-A-Rolla) als Special Guest von ALCEST durch die Lande – und ja, das passte auch. Obwohl ihre Musik ganz anders klingt als die von ALCEST. Oder die von WOVENHAND.
Die Lady aus Los Angeles arbeitet als bildende Künstlerin, spielt Gitarre und singt seit einiger Zeit auch. Sie spielte bei den Dream-Wavern NOCTURNES, den Post-Rockern RED SPAROWES mit Mitgliedern von Institutionen wie ISIS und NEUROSIS sowie den großartigen MARRIAGES, mit denen sie im vergangenen Jahr das sehr empfehlenswerte Album „Salome“ veröffentlichte. Nachdem sie 2011 mit „Electric Guitar Vol. 1“ debütierte, auf dem interessante Gitarrenspielereien zu hören sind, die man sich als Fan von SONIC YOUTH oder Frank Zappa ruhig mal geben kann, waren die Kritiken zum Langspieler „Some Heavy Ocean“ 2014 in der internationalen Indie-Musikpresse mehr als überschwänglich. Ein echtes Meisterstück, dass Rundle zwischen Chelsea Wolfe und Marissa Nadler (mit der sie in den USA tourte – welch ein Package!) positioniert und wohl sämtliche Freunde von härterer, atmosphärischer Gitarrenkost zum Dahinschmelzen bringt.
Twitter sei Dank erfuhr ich (im Gegensatz zu den Besuchern, die sich an einem Schild an der Tür des Clubs Zoom orientierten), dass ERR bereits um 20.30 Uhr statt um 21 Uhr auf der Bühne stehen würde – hätte ich der Tür-Info vertraut und nur die letzten paar Minuten der Darbietung mitbekommen: Hulk-Hals hoch Zehn! So aber war ich entspannt, entnahm das erwähnte Album sowie eine Vorpressung des bald
erscheinenden Nachfolgers „Marked for Death“ am Merchstand den anmutigen Händen der Künstlerin selbst und stand parat, als diese wenig später hinter das mittlere der drei aufgebauten Mikros trat, die Gitarre umgeschnallt und etwas angespannt wirkend.
Zwei Titel der neuen Scheibe, „Protection“ sowie „Marked for Death“, wurden bereits veröffentlicht und während des Gigs gespielt – mit „Hand of God“ kam ein weiterer Track dazu, den man sich bisher nur mit besagter Testpressung und einem Plattenspieler anhören kann. Ansonsten mit „Run Forever“ (Videoclip dazu weiter unten) und „Shadows of My Name“ ein paar der schönsten Stücke von „Some Heavy Ocean“. Als gegen 21 Uhr der Club voller wurde stand auch nicht mehr nur die, mittlerweile aufgelockerte Solokünstlerin auf der Bühne, sondern an ihrer Seite als Gast noch Tosten Larson (links), der vor kurzem noch als Teil der DEMON BROTHERS um KING DUDE die Republik verzückte. Auf seiner Instagram-Seite schwärmt Larson von der „beloved woman“, und Ihr seht, ich bin mit meiner Verzückung nicht alleine.
Den Vogel schoss aber der Typ ab, mit dem ich am Getränkestand ins Gespräch kam und der, nur wegen ERR, aus München angereist kam und nachts noch dorthin zurück fuhr. Props dafür. Nach 45 Minuten dieser zart-heftigen Tonkunst war es eigentlich ziemlich egal, wer danach noch spielte. Der Abend war ein toller, da war nix mehr zu zerstören. Danke.
Zerstörung gab es aber nicht, zumindest nicht die des Abends: Wenn David Eugene Edwards (ab jetzt nur noch DEE) die Messe liest, dann wird aufmerksam zugehört. Von den Sündern, von den Zweiflern, den Skeptikern und den offensichtlichen Gegnern seiner Message, so wie ich einer bin. Oder Jürgen Ziemer vom Rolling Stone, der ja seit Jahren nicht mehr in Frankfurt weilt und auch sonst wohl nicht gekommen wäre, attestierte er dem wenige Tage vor dieser Tour frisch erschienenen neuen WOVENHAND-Werk „Star Treatment“ doch zu Recht eine musikalische Nähe zu THE GUN CLUB oder australischen Rockbands der Achtziger Jahre – immerhin spielt DEE inzwischen ja auch bei den neu besetzten CRIME & THE CITY SOLUTION. Nur Ziemers Konsequenz, dass das 2016 kaum jemand brauchen sollte, kann an dieser Stelle durchaus widersprochen werden.
DEEs leidenschaftlicher Vortrag, seit 2012 stehend (sonst saß er während der Shows immer auf einem Schemel) und mit Hilfe zweier Musiker von der Punk-Band PLANES MISTAKEN FOR STARS heftiger und rockiger als je zuvor dargeboten, zieht vor allem viele Freunde des anspruchsvollen, düsteren und oft satanischen Metal (AGRYPNIE & NOCTE OBDUCTA-Musiker Torsten Hirsch meine ich auch im Publikum erspäht zu haben, WATAIN‘s Erik Danielsson ist großer Fan) – eine Tatsache, die laut einem Interview mit Noisey bereits seit den Tagen von DEEs ehemaliger Band 16 HORSEPOWER so ist und die der Meister auf die Naturverbundenheit und die Spiritualität in seinen Texten sowie in denen seiner ideologischen „Widersacher“ zurückführt.
Dass die Bibel immer für spannende und derbe Geschichten gut ist wird wohl niemand bestreiten, und dass jegliche Hingabe an eine Materie ansteckender wirkt als analytische Rezeption vielleicht auch nicht. Also lasst ihn predigen mit seinen Mitstreitern, in voller Phonzahl und 90 Minuten lang – WOVENHAND-Konzerte sind sehr laut, und das Pfeifen seiner Botschaft wird die, die vor den Boxen verweilten, noch viele Tage lang beschäftigen. Das hat für mich hohen Unterhaltungswert, kommt aber an die subtileren Darbietungen eines späten Johnny Cash, den wir
vor dem Konzert im Zoom hören durften, nicht mal ansatzweise heran. Trotzdem eine der besseren Rockshows 2016 und jederzeit wieder besuchbar. Erst Recht, wenn jemand wie Emma Ruth Rundle eröffnet. Nachdem jetzt aber so gut wie alle Sargent House-Künstler in unseren Breiten auftraten, wird es langsam Zeit für die Mutter allen schrägen Folks: Chelsea Wolfe, wir erwarten Dich.
Links: http://emmaruthrundle.com/, https://www.facebook.com/emmaruthrundle, https://emmaruthrundle.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/Emma+Ruth+Rundle, http://wovenhandband.com/, https://de-de.facebook.com/Wovenhand-official, http://www.myspace.com/wovenhand, https://www.reverbnation.com/wovenhand, https://wovenhand.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/Woven+Hand
Text, Fotos & Clips: Micha
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