Schlachthof, Wiesbaden, 19.09.2016
Das war ja wieder ein ziemlich bunter, innermetallischer Stilmischmasch, gestern im Kesselhaus des Wiesbadener Schlachthofs. YOB (rechts) aus Oregon, BLACK COBRA aus San Francisco sowie als zusätzlicher Opener CREMATION aus Naters aus dem Kanton Wallis in der Schweiz – Doom, Sludge und Death Metal mit Ausreißern in den Thrash, Postrock, Noiserock und weiteren alternativen Daseinsformen. Puh. Erschwerend kam hinzu, dass ich im Vorfeld eigentlich keine der Bands kannte, allerdings sprach die Reputation von BLACK COBRA und vor allem von YOB für sich. Also rein ins Vergnügen.
Die erst kurz vor der Tour gebuchten CREMATION sorgten dafür, dass die Tore des Konzertsaals sich bereits eine halbe Stunde früher als ursprünglich geplant öffneten. Der Andrang war überschaubar – viele, die zur Kenntnis nahmen, eine weitere Combo sehen zu können, ignorierten diesen Umstand einfach,
Cremation
weil sie keine Lust auf eine Death Metal- Band in diesem Zusammenhang hatten, und ich kann das sogar nachvollziehen. Allerdings versuche ich mir immer jeden Act des Abends anzuschauen – wer weiß, vielleicht offenbaren sich ja die neuen TRIBULATION oder andere, von mir noch nicht live erspähten Perlen, da will ich mir nicht den Vorwurf machen müssen, aus purem Snobismus darauf verzichtet zu haben.
CREMATION waren aber ziemlich sicher nicht die neuen TRIBULATION, dafür sind sie schon viel zu lang dabei (seit 1992) und spielen einen dementsprechenden Sound, der einen kundigeren Besucher als mich an BENEDICTION erinnerte. Meinetwegen. Wie meistens im Death Metal wirkte die Band weitaus sympathischer als die Protagonisten der von mir weit mehr geschätzten Black Metal-Formationen, musikalisch gibt mir das aber nicht viel. Was nicht bedeutet, dass die Truppe schlecht war, nur eben nicht meine Tasse Schnaps. Die halbe Stunde live war trotzdem kurzweilig, aber jetzt konnte auch mal das eigentliche Konzert anfangen. Ein späterer Blick in das Forum des Magazins Deaf Forever offenbarte die Connection zum Headliner: Sänger Spiga steht nach Angaben eines Users häufiger am Mischpult und hatte zum Beispiel den Sound von YOB bei einem ihrer Auftritte auf dem Roadburn zu verantworten. Passt.
Das Duo BLACK COBRA wurde ja im Mai 2015 in diesem Blog von meinem Kollegen Marcus gepriesen (klicke hier), mit der Einschränkung, dass der Gitarre- & Drum-Krach des Duos bei aller Brachialität gehörig gegen den der inhaltlich ähnlich aufgestellten MANTAR abstinke. Schon, aber hallo:
Black Cobra
MANTAR ist wohl eine derb hohe Messlatte. Die sind in ihrer Intensität und in ihrem Sound für mich gerade unerreicht – BLACK COBRA klingen da weit konventioneller, aber nicht weniger famos.
Dem Duo hört man seine Herkunft aus der Thrash-Hochburg San Francisco trotz fieser Sludge-Kante durchaus an, und wie sich Gitarrist/Sänger Jason Landrian innerhalb der knapp 45-minütigen Performance vom fleißigen Arbeiter zum heftig grölenden Rock’n’Roll-Urviech wandelte, war ebenso mitreißend wie energiegeladen. Hammer. Ein umgehend folgendes Plattenstudium zu Hause konnte diesen Eindruck leider nicht duplizieren. Coole Liveband, daheim dann aber doch lieber die Alben von MANTAR abspielen, klappt besser.
Das funktioniert auch beim Trio YOB hervorragend. Ich kam vor dem Konzert zwar nur dazu, die halbwegs aktuelle „Single“ „Clearing the Path to Ascend“ von 2014 (mit einer Spielzeit von fast einer Stunde) anzuhören, das Teil hat es aber in sich. Zumindest, wenn man auf die Kombination langsamer, schwerer Töne
YOB
mit gediegeneren Rocktönen steht, die Singer/Songwritern wie Townes van Zandt (YOB-Boss Mike Scheidt veröffentlichte 2012 ein akustisches Soloalbum, welches sehr von van Zandt inspiriert wurde) und Bands wie PINK FLOYD in ruhigen Momenten näher sind als etwa BLACK SABBATH.
Von diesem Meisterstück wurden zwei Stücke gespielt, der Rest lässt sich auf Tonträgern der Jahre 2009 bis heute finden, mit Ausnahme eines Tracks von „The Illusion of Motion“ von 2004. Dieser war somit der einzige, der vor dem Split der Urbesetzung von YOB 2006 veröffentlicht wurde. Puristen mögen so etwas eher semi finden, Menschen ohne eine gemeinsame Vergangenheit mit der Band wie zum Beispiel ich sprangen jedoch innerlich vor Vergnügen im Dreieck. Ebenso vermisst wurde das klassische Stimmorgan des Fronters Mike Scheidt, der früher wie ein Ozzy mit Gemächt im Schraubstock klang, laut einem Interview im Rock-A-Rolla von 2014 heute aber so etwas nicht mehr schafft und sich demzufolge eine Gesangstechnik angeeignet hat, die seiner veränderten Physis in der Gegenwart eher entspricht.
Matten kreisten, Fäuste wurden gereckt, Biere erhoben – voller Zustimmung zumeist und im Gegensatz zu manch anderer Behauptung durchaus über eine Stunde lang. War halt sehr kurzweilig, das Ganze. Scheidt nahm sich danach noch die Zeit für freundliches Fangeplauder und ich legte mein gesamtes Erspartes in Textilien, Tonträgern und Unterwegsbier an. Feiner Abend mal wieder im Kesselhaus, wie meistens.
Links: http://www.cremation.ch/, https://www.facebook.com/Cremation, https://myspace.com/cremationonline, http://www.last.fm/music/Cremation/, http://www.blackcobra.net/, https://www.facebook.com/blackcobramusic, https://myspace.com/blackcobra, http://www.lastfm.de/music/Black+Cobra, http://www.yobislove.com/, https://www.facebook.com/Yob/, https://myspace.com/yobdoom, http://yobislove.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/YOB
Text, Fotos & Clips: Micha
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