Das Bett, Frankfurt, 27.01.2025
Die sich selbst als „traurigste Band der Welt“ bezeichnenden ANTIMATTER aus Liverpool feiern 25. Geburtstag und touren mit einem speziellen Programm inklusive live bisher vernachlässigter Lieder durch die Lande. Wobei die Formation um die einzige personelle Konstante Mick Moss (links) seit 1998 existiert – erste (Demo-)Aufnahmen datieren von 1999. Das ursprünglich mithilfe des Ex-ANATHEMA-Musikers Duncan Patterson sowie diversen Gastsängerinnen eingespielte ANTIMATTER-Debüt „Saviour“ (2000) bestach noch mit einer originären Mischung gitarrenlastigen Dark Rocks mit progressivem Touch und massiven Trip-Hop-Einflüssen, die sich spätestens mit Pattersons Abgang 2005 immer mehr erledigten. Moss ist der Kontrollfreak bei
ANTIMATTER – nur er sei wichtig, erklärte er mir bei meinem Erstkontakt mit seiner Formation (hier). Der Rest des Personals ist austauschbar. Dabei kann er sich trotz allem auf loyale Mitstreiter verlassen: Die Positionen an Schlagzeug, Geige/Gitarre und Bass waren bei allen meinen Sichtungen bisher von den gleichen Menschen besetzt, auch beim Hammer Of Doom 2019 (siehe unseren Bericht hier).
Die Klangvielfalt der acht bisher veröffentlichten Studioalben ist beeindruckend – live verändert sich diese zugunsten einer straighteren Performance, welche in ihrer Dynamik über die Studioversionen ab und an hinauswächst und bei der besonders die Dialoge zwischen Moss‘ Gitarre und der Violine von Dave Hall faszinieren. Man konnte also auf diese Tour gespannt sein; vor allem, weil auf dieser Jubiläumstour mit „Parallel Matter“ ein frischer Tonträger beworben wird, der auf drei CDs Live-, Demo- sowie alternative Versionen bekannter Aufnahmen von Stücken enthält, die Moss in anderer Form zuvor veröffentlichte und die an unterschiedlichen Orten mit ebensolchen Besetzungen zwischen 2001 und 2024 entstanden sind.
Im Vorprogramm durfte man eine Formation namens ANN MY GUARD bewundern, die zumindest mir bisher nicht bekannt war. ANN MY GUARD ist eine symphonische Metalband aus ursprünglich Ungarn, deren Kopf Eszter Anna Baumann es der Liebe wegen in die Niederlande verschlug, wo sie mit dem Produzenten, Gitarristen und Lebenspartner Davy Knobel ebenfalls die Combo LIGHT BY THE SEA betreibt. Eigentlich, möchte man meinen, standen eher LIGHT BY THE SEA auf der Bühne des Clubs, da diese Version von ANN MY GUARD laut Baumann „das erste Mal in diesem Line-up“ unterwegs ist und Knobel dabei ein Teil dieses Trios war.
LIGHT BY THE SEA sind ein Duo, welches tanzbare wie gefällige Indie-Musik mit leichtem Wave-Touch fabriziert, die mir persönlich besser gefällt als der Symphonic-Metal von ANN MY GUARD, der sich von dem einiger Mitbewerber immerhin noch durch dezente Folk-Einsprengsel abhebt. Baumann selber glänzt dabei nicht nur an der Stimme, sondern auch am Bass und, wie bei einem Stück an diesem Abend bewiesen, ebenso an der Querflöte.
Die Versionen, die ANN MY GUARD in 35 Minuten Spielzeit von ihren Bandveröffentlichungen präsentierten, ließen den genreüblichen Bombast stecken und überzeugten mich in Triobesetzung mit Klavier und Akustik-Gitarre weit mehr als auf den regulären Releases. Der Song „Echo“, ursprünglich auf der Scheibe „Moira“ (2018) erschienen, erfuhr unlängst ein neues Arrangement und weist auf ein neues Album hin, welches ANN MY GUARD im Gegensatz zum Frühwerk klanglich neu aufstellt. Live war das in dieser Besetzung allerdings etwas Besonderes, was man nicht alle Tage von ANN MY GUARD zu hören bekommt. Nice.
Bei den beiden Gelegenheiten, bei denen ich ANTIMATTER bisher begegnete, offenbarte sich Mick Moss nicht unbedingt als publikumsnahe Rampensau. Kann man bei solch einer introvertierten Musik auch nicht unbedingt erwarten. Diesmal jedoch wirkte er locker und entspannt – durch die offene Backstagetür konnte man ihn z. B. mit Eszter Baumann lachen und scherzen hören. Als er selber auf der Bühne stand, performte er wie fast immer meist mit geschlossenen Augen, sprach außerdem viel mit dem Publikum, das den Club gut genug füllte um sich willkommen zu fühlen. Sogar schlüpfrige Scherze kamen ihm über die Lippen.
Als er mit „Liquid Light“ einen Song von „Black Market Enlightment“ (2018) ansagte, den er „vorher noch nie live gespielt hat“, musste ich mir in Erinnerung rufen, dass solch eine Aussage kein Alleinstellungsmerkmal dieses Abends, sondern bloß eben dieser Tour war – laut setlist.fm gab es keine oder kaum Veränderungen beim Darbieten seines Programms, welches Stücke aus der gesamten Laufzeit von ANTIMATTER beinhaltete (inklusive welche aus der Frühphase, die ursprünglich nicht von Moss selber intoniert wurden) und mit „Black Sun“ sogar ein Cover von DEAD CAN DANCE.
Die Anwesenden hingen Moss sowie seinen bewährten Mitstreitern (Dave Hall – Geige & Gitarre, Stephen Harold Hughes – Bass, Fabian Regmann – Schlagzeug) an den Lippen, wunderten sich aber, wo zum Teufel der Merchstand für den Headliner des Abends zu finden war. Nach 80 Minuten Spielzeit, kurz bevor das Quartett weitere 20 Minuten als Zugabe bot, versprach Moss die Bühne nach dem Ende des Gigs zum Merchstand zu machen, mit den Fans zu quatschen sowie Tonträger feil zu bieten nebst Signatur, falls gewünscht. Ein perfekter Ausklang eines im positiven Sinne gediegenen und sehr schönen Abends. Danke dafür.
Links: https://www.facebook.com/annmyguard, https://annmyguard.bandcamp.com/, https://www.youtube.com/user/AnnMyGuard, https://www.last.fm/de/music/Ann+My+Guard, https://www.antimatteronline.com/, https://www.facebook.com/antimatteronline, https://antimatter-uk.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Antimatter
Text & Fotos: Micha
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