Knabenschule, Darmstadt, 29.01.2025
Manchmal ist es ja schon der Konzert-Ankündigungstext, der dafür sorgt, dass alle Alarmglocken schrillen und sich die Nackenhaare von selbst aufstellen. Man weiß sofort: Da will ich hin! Das muss ich sehen! „Der legendäre französische Sänger Bee Dee Kay kommt mit außerirdischer Begleitung, der Band THE UFOZZZ und mischt Garage Rock, Surf, Rhythm’n’Blues, Soul und Punk zu einem rasanten Gemisch“ lese ich da auf der Internetpräsenz der in Darmstadt befindlichen Bessunger Knabenschule. Und obwohl die Show erst gegen 22 Uhr beginnen wird (und das vor einem Werktag), die Wetterbedingungen mitten im Winter nicht besonders gut und der Club in rund 40 Kilometer Entfernung nicht gerade um die Ecke liegt, hat der kleine, knallrote Teufel auf meiner Schulter mir trotz aller Widrigkeiten längst die Anwesenheit bei diesem Gig befohlen, um ja nichts zu verpassen.
Tatsächlich kann ich mich nicht erinnern, jemals den Besuch eines mir bis dahin unbekannten Acts bereut zu haben, der – wie auch diesmal – von dem Booking-Kollektiv namens „Starwhore“ in die Knabenschule geholt wurde. Das gestrige Event stellte zudem eine der eher seltenen Kooperationen mit der Veranstaltergruppe „Frischzelle“ dar, die ihre Konzerte immer mittwochs und für freien Eintritt präsentiert. Das Qualitätslogo „Frischzelle meets Starwhore“ prangte also auf dem Flyer des Events– was sollte da noch schiefgehen?
Doch wer ist er eigentlich, der „legendäre“ Bee Dee Kay? Allzu viel ist im Vorhinein nicht zu erfahren, auch das Internet ist bis auf einige wenige Fakten ratlos, was ja nicht sehr oft vorkommt. Es handelt sich wohl eher um eine Untergrund-Ikone, aber so etwas lieben wir ja umso mehr. Fest steht, dass „BDK“ mit der aus Tours stammenden Garage-Rock-Formation THE ROLLER COASTER bereits vor 30 Jahren den ersten Tonträger („Some 50’s Wild Songs“) herausgebracht und mit
der Gruppe bis mindestens 2007 (Erscheinen des großartigen, vierten und letzten Albums „Lowdown & Dirty“) gewerkelt hat. Zuvor war er seit Beginn der Neunziger Jahre mit dem in Limoges verorteten Garage-Punk-Act THE BLUE DEVILS unterwegs.
Nun also die Begleitband THE UFOZZZ, mit der BDK auf die „1st European Invasion!“ betitelte Tour geht. Der Gruppe gehört auch – und hier schließt sich wieder ein Kreis – der Saxofonist Frédéric Brissaud an, der im Juni 2024 das Publikum im großen Saal der Knabenschule als Mitglied des Trios WEIRD OMEN beim „Starwhore Garage Fest“ begeistert hatte. Er spielte auch bei der Vorgängerband THE ROLLER COASTER und darüber hinaus bei den in unseren Breiten recht beliebten KING KHAN & THE SHRINES. Mit den UFOZZZ hat Bee Dee Kay im Juni eine Single mit zwei Songs bei dem deutschen Label Soundflat Records veröffentlicht.
Einlass ist bei den „Frischzelle“-Konzerten immer erst um 21 Uhr; eine Zeit, zu der man in manchen anderen Clubs unter der Woche schon fast wieder rausgekehrt wird. Erfahrungsgemäß sollte man allerdings nicht allzu spät nach diesem Zeitpunkt erscheinen, denn gegen halb Zehn ergießt sich stets ein langer Menschenstrom in die unter Tage gelegene Spielstätte. Und wer bis dahin seinen Platz in den vorderen Reihen nicht gefunden hat, der wird von hinten in dem schlauchähnlichen Raum nicht allzu viel sehen, da das Podest recht niedrig ist.
Zu sehen gab es schon vor dem Gig einiges aus der Welt der Außerirdischen – klar, wer sich THE UFOZZZ nennt, darf das gern dekomäßig unterfüttern: Als Blickfang dienten eine etwa 50 Zentimeter hohe, den Roswell-Aliens nachempfundene silberfarbene Figur, ein UFO auf dem dunklen Backdrop und eine untertassenähnliche Lampe, die an der Decke über der Bühne montiert war und im Verlauf der Show einige Lichteffekte zu bieten hatte. Die Musiker selbst betraten Punkt 22 Uhr zum Teil ebenfalls in silbernen Jacken und mit Sonnenbrillen das Podest (die Augen müssen sich ja erstmal an das Licht eines irdischen Kellerclubs gewöhnen). Zuletzt erschien Bee Dee Kay, anfangs noch schick gekleidet mit weißem Oberhemd und schwarzem Jackett. Letzteres fand sich im Lauf der schweißtreibenden Show im Staub wieder und das weit geöffnete Hemd sorgte dafür, dass der ständig wie ein Tiger im Käfig umher laufende Sänger die Hitze in dem pickepackevollen Saal vor oder inmitten einer Menge zuckender Leiber überhaupt aushalten konnte.
Doch der (geschätzt) Endfünfziger mit den graumelierten Haaren schien das Towabohu und den Körperkontakt zu mögen: Mehrere Abstecher ins Publikum sorgten dafür, dass auch die weiter hinten stehenden Besucher den Sänger mal zu Gesicht bekamen. Außerdem – und das dürfte der Hauptvorteil der vor ein paar Jahren vollzogenen Verlegung der Bühne an das andere Ende der Raumes sein – konnte sich der umtriebige Frontmann auch an die Zuschauer an der rechten Seite des Podests wenden.
Zu Gehör gebracht wurde wunderbar tanzbarer Garage-Rock’n’Roll mit einer guten Portion Soul und Surf im Sound der 5oer und 60er. Im Programm befanden sich natürlich die beiden auf 7″ erhältlichen Songs „Wake Up Honey!“ und „You Move Me Baby“ (CRAMPS-Freunde aufgepasst), die Ihr auf Bandcamp ebenso findet wie den Track „Leapin‘ Lizards“. Wer gemutmaßt hatte, dass auch einige Stücke der ROLLER COASTER gespielt werden würden, sah sich getäuscht. Problematisch war das aber nicht – Lieder wie „Buzz Saw“, „Rockin‘ Soul“ und „Black Crack“ animierten das Publikum erfolgreich, es der sich wild gebärenden Band gleichzutun.
Ob die Lieder neues, bisher noch nicht auf Tonträgern veröffentlichtes Material der UFOZZZ oder Cover-Versionen mir unbekannter Titel waren (Discogs listet diese allerdings nicht bei anderen Interpreten) vermag ich nicht zu sagen. Auch konnte ich die Ansagen – in schnellem Französisch und mit ordentlich Hall auf dem Mikro – inmitten des ganzen Boheis nicht verstehen. Es ist aber in diesem Zusammenhang auch nicht wichtig. Was allein zählte, war die grandiose Feierstunde bei Sauna-Temperatur mitten im Winter.
Nach der knapp 70 Minuten dauernden Show lernten wir am Merchtisch noch, dass U.F.O. im Fall der fünf Franzosen für „Unique Fuckin‘ Obsession“ steht – so ist es auf dem Backcover der aktuellen Single zu lesen. Und ja, obsessiv war das Ganze auf jeden Fall. Womit wir, zum Ende des Konzertabends, noch einmal zum Ankündigungstext zurückgehen: „Viel mehr Rock’n’Roll geht nicht! Es wird heiß und sehr tanzbar.“ stand da als weise Prophezeiung im Monatsprogramm geschrieben. Das kann ich nach dem Trockenlegen meines verschwitzten Körpers nur bestätigen.
Links: https://www.facebook.com/BeeDeeKayDrivesTheUFOzzz/, https://theufozzz.bandcamp.com/
Text & Fotos (5): Stefan
Fotos (20): Nils (@nils.abd.photo), https://www.flickr.com/photos/194860737@N02/
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