Frankfurt, Januar 2025
Seit noch nicht allzu langer Zeit ist die ohnehin recht vielfältige Musikszene des Rhein/Main-Gebiets um eine Attraktion reicher: DAS ÖL BRENNT TRIO, bestehend aus Josef Bercek und Dietrich Skrock, changiert – wie im Ankündigungstext für die (noch) raren Konzerttermine verraten wird – an der Schnittmenge von elektronischer Musik, Neuer Deutscher Welle und Krautrock. Wer bereits eine Show des ÖBT gesehen hat, wird mir sicher beipflichten, dass diese Mischung äußerst tanzbar ist und in dieser Form durchaus stilbildend sein könnte. „Moment mal“, wird sich der ein oder andere aber nun sagen: „Zwei Personen, die ein Trio bilden? Da stimmt doch was nicht.“ Recht habt Ihr, und auch wieder nicht. Doch das ist nur eine der zahlreichen interessanten Facetten dieser Band, die wir im Rahmen eines Interviews zu beleuchten versuchen. Wir illustrieren das Gespräch mit Fotos des Auftritts im Frankfurter Club Ono2 im November 2024 und wünschen Euch viel Spaß beim Lesen der folgenden Zeilen.
Josef und Dietrich, erstmal vielen Dank, dass Ihr für dieses Interview zugesagt habt! Fangen wir doch einfach mit der drängendsten Frage an. Warum ist die Zeif reif für DAS ÖL BRENNT TRIO?
Josef: Ich weiß gar nicht, ob wir wirklich reif sind für die Zeit. Aber vielleicht kann man Deine Frage folgendermaßen beantworten: Da zur Zeit allenthalben gefährliche Dilettanten am Werke sind, ist es vielleicht gar nicht so verkehrt auf die Bewegung der „Genialen Dilletanten“ hinzuweisen und sich darüber hinaus auf die bahnbrechenden Neuerungen der frühen Elektronik-Musiker zu beziehen. Also einen Blick zurück zu werfen auf zukunftsorientierte und fortschrittliche Zusammenhänge und dann dadurch gestärkt zu versuchen, diese mit aktuellen Zutaten wiederzubeleben.
Dietrich: Da fragst Du noch?
Wenn ich richtig informiert bin, fand Euer erster Auftritt in der aktuellen Zweierbesetzung Mitte April 2024 im Offenbacher Waggon statt. Die ersten Veröffentlichungen sind aber schon wesentlich älter, vom Februar 2021. Habe ich frühere Konzerte des ÖL BRENNT TRIOS verpasst?
Josef: Nein, das Projekt begann als Soloprojekt. Die Veröffentlichungen sind alle noch ohne Dietrich aufgenommen worden. Richtig zum Leben erweckt wurde das Ganze aber erst durch Dietrich und seine Gitarre, sein Theremin und die Flöte. Die veröffentlichten Sachen sind quasi so etwas wie eine Blaupause für das, was auf der Bühne zu hören ist. Die Versionen, die wir zusammen aufführen, sind aber aus meiner Sicht natürlich wesentlich lebendiger und mitreißender.
Dietrich: Nein. Du bist zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen.
Apropos Zweierbesetzung: Viele Menschen fragen sich ja, warum Ihr Euch „Trio“ nennt, aber nur zu zweit seid. Obwohl die Erklärung auch schon hier und da im Internet zu finden ist, möchte ich Euch bitten, das an dieser Stelle noch kurz zu erläutern…
Josef: Eigentlich sind wir zu dritt. Außerdem klingt Trio viel besser als Duo oder gar Quartett.
Bitte gebt doch unseren Leser*innen einen kurzen Einblick in Eure musikalische Vita – was habt Ihr vor dem ÖBT gemacht und was treibt Ihr parallel?
Dietrich: Aktuell und für immer: PRIMABOY und 375 CEG. Nennenswert von ganz früher wären DIE SORGENBRECHER, THEO LINGEN LEBT und natürlich CHERI, die Band der drei Ehepaare.
Josef: Ich habe noch ein Soloprojekt unter dem Namen OL BRENTT. Davor war ich in verschiedenen Bands: HOUSE WILLIAMS, ANUS PRESLEY, THE STRUGGS, AMAZING DISCOVERIES und zusammen mit Dietrich bei CHERI.
Welche Aufgaben habt Ihr beim ÖL BRENNT TRIO, wer schreibt die Songs und welche Instrumente spielt Ihr bei den Shows?
Josef: Ich bediene die Elektronik, spiele ein wenig Klarinette und bin am Gesangsmikrofon. Da es ja vorher ein Soloprojekt war, sind die Songs von mir, aber sie wurden wesentlich beeinflusst von Dietrichs Beiträgen und den Veränderungen, die bei den Proben entstanden sind.
Dietrich: Unglaublich treibende Rhythmen aus Josefs Kopf und Feder, umgesetzt auf knopfbewehrten elektronischen Instrumenten, deren Funktion und Bedienung mir ein Mysterium sind und bleiben werden. Ich darf das Ganze mit der Resonatorgitarre und dem Theremin abrunden. Voll tanzbar!
In Eurem Programm finden sich auch einige ausgesuchte Cover-Songs wie „Alle gegen Alle“ von DAF und „Das Insekt“ von DER PLAN. Nach welchen Gesichtspunkten wählt Ihr diese Lieder aus und bearbeitet sie nach Eurem Gusto?
Josef: „Alle gegen Alle“ von DAF und „Das Insekt“ von DER PLAN, aber auch „Stümmel Mir“ von DIE TÖDLICHE DORIS hatten damals aus meiner Sicht sehr viel mit Provokation zu tun und sind aber heute in vielen Bereichen erschreckenderweise Realität geworden. Das macht es sehr spannend, sie in der heutigen Zeit auf der Bühne zu präsentieren. Aber auch die Antwort, dass sie ausgewählt worden sind, weil es tolle Songs sind, hat ihre Berechtigung.
Dietrich: Ich warte einfach immer ab, was kommt. Finde in der Regel alles gut, nötigenfalls wird’s gut gemacht.
Dietrich, ein Eyecatcher auf der Bühne ist Deine „Brille“, die Du vermutlich selbst entworfen und zusammengebaut hast. Bitte lüfte mal das Geheimnis, aus was sie besteht, wie Du auf die Idee gekommen bist und was Du noch sehen kannst, wenn Du sie in einem abgedunkelten Club trägst…
Dietrich: Ach, fällt die tatsächlich auf? Prima! Bitte PN an mich.
Ich habe bemerkt, dass die künstlerisch gestalteten Cover Eurer digitalen Veröffentlichungen eine starke Affinität zu Tieren aufweisen: Esel, Koalas, Eichhörnchen, Mäuse, Haie – allerhand Getier findet sich da. Welche Bewandtnis hat es damit?
Josef: Das war wohl eher zufällig und aus einem Gefühl heraus, die Gestaltung möglichst einfach und dilettantisch zu belassen, auch was die Motivauswahl betrifft. Das war ein schneller, unüberlegter Vorgang.
Dietrich: Katzen. Zwillinge.
Beim Konzert im Ono2 konnte man beobachten, dass die jüngeren Leute im hinteren Teil des Clubs wild tanzten, während die Älteren vor der Bühne standen und Euch zuschauten. Normalerweise ist es ja eher andersherum. Könnt Ihr Euch einen Reim darauf machen?
Dietrich: Andersrum? Wer hat da nicht getanzt? Ich konnte das durch die Brille nicht gut erkennen.
Josef: Ich glaube, dass im Ono2, da wo die jungen Leute getanzt haben, der beste Sound zu hören war und die Bässe richtig gut zur Geltung kamen. Das könnte eine Erklärung sein. Ich hatte aber den Eindruck, dass die älteren Zuschauer ebenfalls nicht wirklich stillstehen konnten. Auch beim Konzert davor wurde getanzt. Rhythmus ist mir auch bei den Sachen, die ich selber gerne höre immer wichtig. Einfache Rhythmen, die sofort in den Körper gehen und Dich in Bewegung versetzen. CAN und KRAFTWERK waren unter anderem auch Meister der Rhythmen, RHYTHM & SOUND und MAURIZIO sind große Einflussfaktoren. Genauso wie THE FALL und FÖLLAKZOID, um zwei Beispiele aus dem Indie-Bereich zu nennen. Und natürlich haben wir „Alle gegen Alle“ von DAF auch wegen des Rhythmus ausgesucht.
Einige unserer Autoren bei Rockstage Riot haben in den Neunzigern für das Fanzine „Kick‘n Roll“ geschrieben. Josef, wie Du mir im Vorgespräch erzählt hast, warst Du seinerzeit mit ein paar anderen illustren Leuten für das Musikmagazin „Superstar“ aktiv. Bitte erzähle uns etwas dazu…
Josef: Ja, das war auf der einen Seite sehr schön, weil man viele interessante und nette Leute treffen konnte, aber ich bin doch lieber auf der Seite des aktiven Musikmachens. Eine schöne Geschichte habe ich in Granada erlebt. Meine Frau und ich waren dort im Urlaub und ich habe gesehen, dass Patti Smith am selben Tag ein Konzert geben wird. Da meine Frau zu dieser Zeit großer Fan war, habe ich versucht zwei Karten zu bekommen. Natürlich war es ausverkauft. Da bin ich mit dem „Superstar“-Magazin unter dem Arm zum Veranstaltungsort gegangen und habe gefragt, ob ich als Pressevertreter mit zwei Personen reinkommen kann. Das hat erstaunlicherweise gut geklappt und am Abend wurden dann die einzelnen Presseleute aufgerufen und den Plätzen zugewiesen. Und es war klasse, dass wir als sehr kleines Magazin direkt nach „El Pais“ aufgerufen worden sind.
Ihr scheint Euch – und wahrscheinlich ist das eine Grundvoraussetzung, wenn man zusammen musiziert – ja bestens zu verstehen. Wie bringt Ihr Euch im Proberaum oder während eines Auftritts mal richtig gegenseitig auf die Palme? Oder ist da immer eitel Sonnenschein?
Dietrich: Die Frage ist aber sehr privat. Uiuiui.
Josef: Bisher kann ich diesbezüglich „leider“ nichts berichten.
Wo soll es mittelfristig hingehen mit dem ÖL BRENNT TRIO? Habt Ihr in musikalischer und künstlerischer Hinsicht eine Vision, die Ihr realisieren möchtet?
Josef: Es gibt für mich keinen Plan. Solange es Spaß macht zur Probe zu fahren und wir das Privileg genießen, auf der Bühne zu stehen und die Energie der Musik und des Publikums zu spüren, ist alles gut.
Dietrich: Lebe den Moment!
Eure Musik gibt es bisher nur auf den Streaming-Portalen. Ist geplant, mal ein Album – sei es auf CD oder Vinyl – herauszubringen?
Dietrich: Hm. Mal gucken.
Josef: Da ich selbst Vinyl-Platten sehr mag, wäre es natürlich toll, wenn sich diese Möglichkeit ergeben würde.
Zum guten Schluss kommt nun die Frage, die ich fast immer am Ende meiner Interviews stelle: Gibt es etwas, dass Ihr unseren Leser*innen noch mit auf den Weg geben möchtet?
Josef: Na klar: „Wer ist gerufen, wenn der Mensch verreckt? Wer macht das Paradies auf Erden perfekt? Wer ist der Retter und lebt ganz versteckt?“
Dietrich: Kommt alle!
Vielen Dank Euch beiden für das Interview. Wir freuen uns auf Euren nächsten Auftritt!
Links: https://www.facebook.com/das.ol.brennt.trio/, https://www.instagram.com/dasoelbrennttrio/, https://soundcloud.com/das-oel-brennt, https://daslbrennttrio.bandcamp.com/, https://www.last.fm/music/Das+Oel+Brennt+Trio
Interview & Fotos (vom 21.11.2024 im Ono2, Frankfurt): Stefan
ÖBT-Kanister-Artwork: @onlyworknolifenobalance
Alle Bilder: