GUTS PIE EARSHOT

Au, Frankfurt, 14.02.2025

Guts Pie EarshotFür den Besuch des Konzerts von GUTS PIE EARSHOT in der Frankfurter Au sprachen gleich mehrere gute Gründe: Zum einen spielt das Duo mit der ungewöhnlichen Instrumentierung mit Cello und Schlagzeug einzigartige Live-Shows. Und zum anderen handelte es sich um einen Soli-Abend für den guten Zweck: Einnahmen und Spenden kamen der Organisation Sea Punks e.V. zugute, die mit ihrem Schiff „Sea Punk I“ im Mittelmeer zahllose in Seenot geratene Flüchtlinge vor dem Ertrinken bewahrt. Es war in diesem Jahr bereits die zweite Veranstaltung dieser Art in Frankfurt, nachdem Mitte Januar in der ExZess-Halle ein Event mit vier Bands, darunter die STAGE BOTTLES und A.C.K., zugunsten der Sea Punks stattgefunden hatte. Auch an anderen Orten in der Region wie zum Beispiel der Bessunger Knabenschule in Darmstadt werden regelmäßig Konzerte im Dienst dieser guten Sache organisiert.

Musste man anfangs noch etwas Sorge haben, dass sich aufgrund der eisigen Temperaturen nicht so viele Unterstützer und Musikfreunde in dem Kellerclub im Stadtteil Rödelheim einfinden würden wie gewünscht, wurde bald klar, dass diese Bedenken unbegründet waren: Die Location war spätestens um Punkt 22 Guts Pie EarshotUhr zu einer kurzen Ansprache eines Sea Punks-Mitarbeiters und zum unmittelbar danach folgenden Konzertbeginn pickepackevoll.

GUTS PIE EARSHOT bestehen anno 2025 aus Jean „Scheng“ Jacobi und Patrick „Rizio“ Reerink. Beide sind seit 1991, von Anfang an, dabei. Damals hieß die Formation noch FLOWERHOUSE, zwei Jahre später erfolgte die Umbenennung in GUTS PIE EARSHOT. Begonnen haben GPE als Quintett, doch bis 2004 stiegen die Mitstreiter*innen am Gesang, Keyboard und Bass nacheinander aus, ohne dass sie ersetzt wurden. Seit mehr als 20 Jahren sind Scheng am Schlagzeug und Rizio am Cello nun also schon zu zweit unterwegs, und bestens aufeinander abgestimmt. Mit ihren Instrumenten, insbesondere dem Cello, kreieren sie ungewohnte Klänge auf den Bühnen in ganz Europa. Guts Pie EarshotAuch solchen wie der Au, die sonst vom Sound von Punkrock und Hardcore dominiert werden.

Dabei kommt ihnen ihre 34-jährige Banderfahrung samt unzähligen Auftritten zugute. Bereits nach 20 Jahren, so kann man auf der Innenhülle der Platte „Amparo Fugaz“ von 1993 lesen, blickte die Combo auf 13 Veröffentlichungen, 1000 (!) Konzerte und rund 800.000 (!) Tourkilometer zurück. Gut zehn Jahre später, abgezogen die Zeit der durch die Corona-Pandemie verursachten Pause, hat das Duo zwei weitere Alben herausgebracht, 1200 Shows absolviert und wird inzwischen mehr als eine Million Kilometer im Tourbus auf dem Buckel haben. Und wer auf der GPE-Webseite das Programm für 2025 aufruft, der kann sehen, dass da keinerlei Verschleißerscheinungen vorhanden zu sein scheinen.

Guts Pie Earshot

Eine große Stärke der Band ist das geniale Abwechseln von schnell und langsam, laut und leise, melodiös und brachial. In dieser Form und in der Kombination dieser beiden Arbeitsgeräte dürfte das unique sein, mir ist nichts auch nur annähernd Ähnliches bekannt. Heraushören lassen sich im Werk der GUTS PIE EARSHOT unter anderem Elemente des Post-Punk („California“), Hardcore, Guts Pie EarshotDrum and Bass, Breakbeat, Techno, Metal, der Klassik („Travel“) sowie sogar orientalische Klänge („Revolt Against“). Um derartig komplexe Kompositionen spielen zu können, muss man seine Instrumente aus dem FF beherrschen, und das tun die zwei Künstler. Lang ist die Liste weiterer Projekte und Kollaborationen, doch ich möchte mich hier auf GPE und das gestrige Konzert konzentrieren.

Die zumeist an der Zehn-Minuten-Marke kratzenden Lieder wie zum Beispiel „Existence“ entfalten eine extreme Wucht, der man sich, insbesondere live und in einem Menschenpulk, schwer entziehen kann. Ich schaue, wenn wegen des Fotografierens in der ersten Reihe stehend, immer mal wieder nach hinten, um in die Gesichter der Anwesenden zu blicken. Einige standen mit geschlossenen Augen da, wiegten nur ihre Köpfe entrückt hin und her. Andere befanden sich, wild mit ihren Armen wedelnd, im Hüpfmodus. Viele tanzten einfach nur frenetisch zuckend auf der Stelle. Doch egal, inwieweit der Rhythmus eine mehr oder weniger starke körperliche Reaktion auslöste, in einem waren sich alle einig: der Begeisterung für diese außergewöhnliche Band.

Ansagen gab es nur wenige, und die waren kurz. Das Duo weiß, dass lange Reden den Sog, in den seine Musik das Publikum zieht, zerstören würde. So berichtete Scheng in wenigen Sätzen davon, dass er zurzeit in Sachsen lebe, autonome Zentren dort durch die politische Lage bedroht seien und sprach sich für deren Unterstützung und Erhaltung aus. An anderer Stelle lobte er die Arbeit der Sea Punks. Von den Besuchern gab es zwischen den Stücken das ein Guts Pie Earshotoder andere Feedback auf die Darbietung. „Ihr seid geil!“ rief zum Beispiel eine weibliche Stimme aus den hinteren Reihen des Zuschauerraums, was von den Musikern mit einem Lächeln quittiert wurde. Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass sich das Duo wegen der besonderen Atmosphäre und der tollen Stimmung im Kellerclub wohlfühlte. Sie seien schon etwa acht Mal in der Au gewesen, sagte Scheng ins Mikro (darauf ein entrüsteter Zwischenruf eines Besuchers, der sie wahrscheinlich immer verpasst hatte: „Das kann doch wohl nicht sein!“).

Guts Pie EarshotZum Ende des Konzerts bot ein (vermutlich nicht ganz nüchterner) Besucher unter dem Schmunzeln der übrigen Gäste Freibier für die Band an, wenn sie das komplette Set nochmal spielen würde. Nun, es würde mich arg wundern, wenn das Duo nicht sowieso gratis trinken durfte. Außerdem hielten sich die Musiker – zumindest während des Auftritts – sowieso nur an Mineralwasser. Als erste Zugabe gab es eine Version von MOTÖRHEADs „Ace of Spades“, wie man sie, außer von GUTS PIE EARSHOT, wohl von niemandem zu hören bekommt. Und während der zweiten Zugabe Guts Pie Earshotbildete sich sogar ein kleiner Moshpit – die kollektive Ekstase hatte ihren Höhepunkt erreicht.

Nach der Show konnte man sich im hinteren Bereich der Au am Stand des Sea Punks e.V. über dessen ehrenamtliche Arbeit informieren (Links siehe unten) oder sich am Merchtisch der GPE mit Platten, CDs und Shirts eindecken. In einem kurzen Plausch mit Scheng erfuhr ich, dass das Duo schon einige Jahre nicht mehr, zuletzt vor Corona, in Frankfurt gespielt hat. Ich hoffe, nach diesem herausragenden Event stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich die Band bald wieder bei uns einfindet. Eine lange Nacht fand mit fein ausgesuchtem Hör- und Tanzstoff von DJ Tom aka DuckTunes ihren Abschluss. Irgendwie hat es etwas Beruhigendes, einen der besten (Konzert-)Abende des Jahres bereits im Februar erlebt zu haben.

Links: https://gutspieearshot.de/, https://www.facebook.com/guts.pie.earshot/, https://www.instagram.com/guts_pie_earshot/, https://www.youtube.com/user/gutspie, https://gutspieearshot.bandcamp.com/, https://www.last.fm/music/Guts+Pie+Earshot, https://seapunks.de/https://www.facebook.com/seapunks.sar/, https://www.instagram.com/_seapunks/

Text & Fotos: Stefan

Alle Bilder:

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